Diagonale’19 Film Meeting
Wieso Kino?
Zur Relevanz des Kinos für die Branche und die Öffentlichkeit
Die Nachlese zum Diagonale Film Meeting’19 finden Sie hier.
Das Diagonale Film Meeting 2019 lädt ein, aus unterschiedlichen Perspektiven über das Kino als Knotenpunkt des österreichischen Filmschaffens nachzudenken. Und sich zu fragen, welche Kraft im Kino steckt, ob die bisherigen Strategien zukunftsweisend sind und wo es womöglich wieder mehr Innovation, Investment und Wille braucht, um das Kino nicht nur sich selbst und dem Markt zu überlassen, sondern als relevanten Erfahrungsort, vor allem für den österreichischen Film, zu erhalten.
Der erste Tag des Diagonale Film Meetings ist allen Interessierten frei zugänglich. Am zweiten Tag bietet die Diagonale zum ersten Mal in Österreich für Kinomitarbeiter/innen ein Europa Cinemas Innovation Day Lab an! Zudem laden neben dem diesjährigen Themenschwerpunkt „Wieso Kino?“ weitere Branchenveranstaltungen zur Diskussion und Vernetzung.
Programm
Wieso Kino?
Europa Cinemas Innovation Day Lab
Weitere Branchenveranstaltungen
Bitte beachten Sie, dass die Anzahl der Teilnehmer/innen aufgrund der räumlichen Gegebenheiten begrenzt ist. Für den Europa Cinemas Innovation Day Lab ist eine Anmeldung erforderlich!
Einleitung
„Kino ist nicht tot, auch nicht krank“, meinte unlängst ein Kinobetreiber. Ist das Zweckoptimismus in Zeiten, in denen der Untergang des Kinos befürchtet wird? Verkommt das Kino als Premiumort der Filmpräsentation zu einem Anything-goes-Haus mit Opern und Sing-along oder wird bald von Virtual Reality und anderen Seherfahrungen abgelöst?
Genährt wird diese Stimmung von Fakten, die mal mehr, mal weniger die gesamte Kinolandschaft betreffen, von Land- über Arthouse-/Programmkinos bis zu Multiplexen: die oft ernüchternden Kinobesucher/innenzahlen vor allem bei österreichischen Filmen; das Nichterreichen neuer und vor allem jüngerer Publikumsschichten, besonders in Kinos abseits des Mainstreams (das Durchschnittsalter liegt in Deutschland bereits bei über fünfzig Jahren); oder die vorherrschende Unsicherheit, welche Auswirkungen Streamingplattformen wie Netflix auf das Kino haben (neuere Zahlen sagen: wenig).
Die Herausforderungen sind dabei nicht neu: Historisch geriet das Kino immer wieder unter Druck – durch neu aufkommende Medien (von Fernsehen über Video und DVD bis zum Internet); in jüngerer Vergangenheit, beginnend in den 1990er-Jahren, durch eindringende und marktorientierte Konkurrenz (Multiplexboom), die bestehende Spielstätten be- oder verdrängten; oder durch die Digitalisierung der Kinos in den 2000er-Jahren, die das Vertriebs- und Aufführungssystem wohl unwiderruflich veränderte.
Reagieren konnten vor allem jene Kinos, die über die finanziellen Ressourcen verfügten, vielleicht auch den erforderlichen kulturpolitischen Rückhalt erhielten (wie bei der Digitalisierung von Programmkinos, die Österreich im europäischen Vergleich schnell und mit Fördermitteln gestützt vollzog) oder ihren Häusern selbst neue Visionen gaben (etwa das seit 1917 bestehende Haydn Kino in Wien, das aufgrund der neuen Kinokonkurrenz 1995 zum OV-Kino wurde).
Überlebt haben in Zeiten der Umbrüche und Veränderungen nicht alle. Seit rund fünf Jahren hat sich die Situation in der Kinolandschaft jedoch wieder stabilisiert: Nach dem Tiefststand 2013 mit 133 Kinos verzeichnet die Statistik 2018 in Österreich 142 Kinos, wobei die Anzahl von Sälen leicht steigt, die Gesamtanzahl von Sitzplätzen dabei jedoch in den letzten zehn Jahren stark abgenommen hat: Der Trend hin zu kleineren Kinosälen ist augenscheinlich.
Warum wollen wir beim Film Meeting der Diagonale’19 über das Kino reden?
In den letzten Jahren wurde die Reflexion über diesen Ort und seine Bedeutung oft überlagert von marktaktuellen Fragen wie den eingangs genannten und von der Suche nach konkreten Strategien. „Audience Development“ ist da nur eines der Schlagworte der Kinobranche, um für das (Über-)Angebot an Filmen und Veranstaltungen ein Publikum zu finden. Die Forderung nach publikumswirksameren heimischen Produktionen taucht ebenso immer wieder auf, v.a. dann, wenn (wie 2018) die Besucher/innenzahlen zurückgehen.
Es lohnt sich aber, über prinzipiellere Fragen nachzudenken, die nicht nur die Kinos betreffen, sondern alle, die mit diesem einzigartigen Ort in Verbindung stehen und „ins Kino wollen“: das Publikum ebenso wie nach wie vor eine Mehrheit der heimischen Filmschaffenden mit ihren Filmen.
Warum kämpfen wir für das Kino? Warum braucht es diese Institution, diesen Treffpunkt, diesen primären Spielort von Film im Allgemeinen und österreichischem Film im Speziellen? Was heißt es, im Zeitalter des Digitalen, in dem alles always-on und immer on-demand sein muss, noch Kino zu machen und vor allem Kinos zu haben? In welchen Rollen begegnen uns Kinos gegenwärtig? Als Bildungseinrichtungen, als kommunale Orte, als kulturelle und kuratorische Instanzen, als exklusive Orte für die Branche, die die Aura des Kinos für sich nutzt: für Filmpremieren genauso wie für Eröffnungs- und Repräsentationsveranstaltungen, als Ort, an dem filmische Premierenprodukte wie Pilotfolgen neuer Fernsehserien oder ganze Staffeln als Binge-Watching einem exklusiven Publikum präsentiert werden. Wie stellen sich die Kinos diesen Aufgaben? Und wie die politischen Entscheidungsträger/innen, ob auf Beamtenebene oder in der Politik? Wie reagieren angeschlossene Branchenbereiche von Produktion bis Verwertung auf die veränderte Rolle von Kinos? Welche Kinos wollen sie, und welche Rolle wollen die Kinos selbst bekleiden?
Das Diagonale Film Meeting 2019 lädt alle ein, aus unterschiedlichen Perspektiven über das Kino als Knotenpunkt des österreichischen Filmschaffens nachzudenken. Und sich zu fragen, welche Kraft im Kino steckt, ob die bisherigen Strategien zukunftsweisend sind und wo es womöglich wieder mehr Innovation, Investment und Wille braucht, um das Kino nicht nur sich selbst und dem Markt zu überlassen, sondern als relevanten Erfahrungsort, vor allem für den österreichischen Film, zu erhalten.
Der erste Tag des Diagonale Film Meetings ist allen Interessierten frei zugänglich. Am zweiten Tag bietet die Diagonale zum ersten Mal in Österreich für Kinomitarbeiter/innen ein Europa Cinemas Innovation Lab an, das sich u.a. mit Fragen zu Audience Relations und Kinomanagement auseinandersetzt.
Gestaltung: Dominik Tschütscher