Sturmjahre - Der Leidensweg Österreichs
Dokumentarfilm, AT 1947, Schwarzweiß, 80 min.
Diagonale 2016
Regie: Frank Ward Rossak
Buch: Frank Ward Rossak, Herbert Heidmann
Darsteller:innen: Dagny Servaes, Trude Sommer, Hans Brand, Herbert Holy, Hans Jungbauer u. a.
Kamera: Hans Imber, Hans Nigmann, Bruno Lötsch, Mario Wiberal, Josef Halbritter, Paul Bruck
Musik: Hans Wilma
Produktion: Pax-Film
Geschichtsunterricht auf Österreichisch:
Der vom einstigen
Arbeiterfilmer Frank Ward Rossak
mit Archivmaterialien realisierte
Dokumentarfilm Sturmjahre – Der
Leidensweg Österreichs liefert konsensuale
Interpretationen der jüngeren
Zeitgeschichte und entwirft
erste Selbstbilder eines kollektiven
Gedächtnisses.
Glaubt an dieses Österreich! Sturmjahre – Der
Leidensweg Österreichs visualisiert den politischen
Imperativ des Jahres 1945 in einer geschichtsmächtigen
und mit Pathos vorgetragenen Erzählung
über die jüngere Vergangenheit. In dieser mit
vielen Archivbildern montierten Collage versammeln
sich schon alle Interpretationen und Mythen,
die auf längere Sicht die Geschichte, die Österreich
von sich selbst entworfen hatte, bestimmen sollten:
das bis zum Einmarsch der Nazis prosperierende
Land, das erste Opfer des Nationalsozialismus, der
aktive Widerstand gegen Hitler. Sturmjahre – Der
Leidensweg Österreichs ist eine Form der visuellen
Folklore, die sich in den kommenden Jahren zu prägenden
Geschichtsbildern, zur Lebenslüge dieses
Landes verfestigen wird. Frank Ward Rossak, schon
seit den 1910er-Jahren im österreichischen Film
tätig, avancierte in den Zwischenkriegsjahren zu
einem der wichtigsten Vertreter eines linken Kinos
in Österreich. Zu seinen bekanntesten Filmen zählt
der für die Sozialdemokratie realisierte Propagandafilm
Mr. Pim’s Trip to Europe (1930) über die Aufbauleistungen
des Roten Wien. Doch Rossak zog mit
der „neuen Zeit“ und sympathisierte bereits 1933
mit den Nationalsozialist/innen, denen er sich auch
als Filmdienstleister andiente. 1934 schilderte er in
Stürmische Tage über Österreich die Lage nach den
Februarkämpfen in Wien, 1947/48 wurde eine vermutlich
umgeschnittene Version neuerlich ins Kino
gebracht. Die Kunst der Montage, des Redesigns historischer
Filmdokumente spielt Rossak abendfüllend
in Sturmjahre – Der Leidensweg Österreichs aus: Auf
Basis einer auch visuell verklärten Vergangenheit
baut Sturmjahre – Der Leidensweg Österreichs am
Mythos des Wiederaufbaus.
(Ernst Kieninger)
Sturmjahre – Der Leidensweg Österreichs beschreibt
die Jahre von 1936 bis 1946 in Österreich
und baut in seinen Bildern an den mentalen Fundamenten
der Zweiten Republik mit. Der Film beginnt
mit einem schwelgenden Prolog. Archaische Bilder
sprechen von der Schönheit des Landes und der
Kraft der Heimat. Der Bauernstand wird als Bewahrer
ewiger Kreisläufe vorgestellt. Der Weg führt in
die Stadt, nach Wien. 1936 lebten die Menschen
hier glücklich und zufrieden. Arbeitslosigkeit und
Nationalsozialismus brechen als Tragödien von
außen herein. Während halb Europa in Schutt und
Asche aufgeht, agiert in Österreich, das offiziell auf
der Landkarte nicht mehr existiert, der Widerstand
im Untergrund. Das österreichische Volk leistet „im
Rahmen des Möglichen“ seinen Beitrag zur Befreiung.
Die Forderung nach dem Krieg lautet daher:
„Gerechtigkeit für Österreich“. Die Mittel der Alliierten,
die eigene Arbeitskraft, der Wille zum Verzicht
bringen – zunächst spärlich – Licht in die Straßen,
die Häuser, die Herzen. Sturmjahre – Der Leidensweg
Österreichs entlässt seine Besucher/innen mit der
Gewissheit: „Es geht aufwärts.“
(Elisabeth Büttner, Christian Dewald)