Chuzpe
Dokumentarfilm, AT 2017, Farbe, 88 min., 31.03.: OmeU / 01.04.: dOF
Diagonale 2017
Regie, Buch: Peter Ily Huemer
Darsteller:innen: Robert Wolf, Stefan Wildner, Martin Biro, Titanilla Eisenhart, Ronnie Urini, Doris Harasek
Kamera: Christian Mitterbauer, Kirk Heflin
Schnitt: Kirk Heflin
Originalton: Robin Perner, Johannes Heilig
Musik: Chuzpe, Dirt Shit, Pöbel, Blümchen Blau
Produzent:innen: Peter Ily Huemer
Produktion: Xpedit Film
„Vorher gab es nichts“ – Wien,
Ende der 1970er-Jahre. Als erste
Punkband knallt Chuzpe in die „tote
Stadt“. Peter Ily Huemer verdichtet
Anekdoten ehemaliger Szeneakteur/
innen und intime Erinnerungen
an die Band zum zutiefst wienerischen
Porträt des hiesigen Underground,
der sich Jahrzehnte später
als Avantgarde entpuppt haben
wird – eine lustvolle Reminiszenz an
Punk, New Wave und eine Wiener
Jugend, die die Chuzpe besaß, sich
mit dem Repertoire von drei Akkorden
auf eine Bühne zu stellen.
Punk ist Lebenseinstellung,
klare Ansage und Haltung: gegen die einengende
Gesellschaft, die Elterngeneration, Langeweile
und Mief. Allen voran prägt Wiens erste Punkband
Chuzpe (jiddisch: Unverfrorenheit) rund um Robert
„Räudig“ Wolf dieses neue Lebensgefühl.
Peter Ily Huemer setzt den jungen Wilden ein
filmisches Denkmal, ohne dabei in Nostalgie zu verfallen.
Das Gegenteil ist der Fall. Es sind vor allem die
teils widersprüchlichen Anekdoten, undogmatisch
wie die Szene selbst, aus denen Huemer ein Porträt
montiert, das weit über die Bandgeschichte von
Chuzpe hinausweist und doch immer wieder darauf
zurückkommt: von den zögerlichen Anfängen – „Es
gab damals vielleicht fünf Punks in Wien“ – über
legendäre Songs wie „Beislanarchie“, die beginnende
Kommerzialisierung einhergehend mit einem
Plattenvertrag beim Falco-Label GIG-Records und
einer Ö3-Chartplatzierung und stilistische Weiterentwicklungen
bis zur Auflösung der Band.
Schwarz-Weiß-Fotos, die Exzess, Rausch, Krawallmacherei
gleichermaßen wie Freundschaft,
Sanftmütigkeit und Zärtlichkeit konserviert haben,
entpuppen sich – körnigen Konzertmitschnitten zur
Seite gestellt – als Suchbilder, auf denen die einzelnen
Protagonist/innen zu finden sind. Peter Ily Huemer
verdichtet intime Erinnerungen zu einer widerspruchsreichen
und lustvollen Reminiszenz an den
freigeistigen Wiener Punk, der im New Wave aufging
und (teils unfreiwillig) zum fixen Bestandteil der subkulturellen
DNA einer Stadt wurde, mit der längst
auch offizielle City-Branding-Initiativen werben. Ein
Film über ein anderes Wien und seine Pionier/innen,
über Träume und Traumata, Leid und Leidenschaften,
Aufbrüche und Abgründe, Schaffen und Scheitern,
Mode und Verzweiflung; über eine Stadt, an der
sich die Jugend reibt, von der sie zugleich maßgeblich
mitgeprägt wurde. Und natürlich über den Punk
und die Chuzpe, sich mit einem Repertoire von drei
Akkorden auf eine Bühne zu stellen.
(Katalogtext, red)
„Wohlstandskinder mit Hang zum Hund. Ein
wenig autonom, Haut und Haare bunt. Ein Tinnitus
und ein Gedächtnis wie ein Sieb. Das ist alles, was
vom Punkrock übrigblieb“, heißt es zu 80er-Retro-
Synthiepop. Der Text zieht Bilanz. Das ist typisch
für Chuzpe: Bilanz lächerlicher Res(ulta)te von etwas,
das einmal als Bewegung verstanden und mit Befreiung
assoziiert werden konnte. (…) Was an Wienmusik
gewitzt war und wird, ist Chuzpe.
(Drehli Robnik, „1000 Takte Tanz“, in: „Damaged Goods –
150 Einträge in die Punkgeschichte“, 2016)
1000 Takte Film
&
In Referenz
Neben dem aktuellen Wettbewerbsbeitrag Chuzpe zeigt die Diagonale’17 Peter Ily Huemers Kiss Daddy Good Night und The Cucumbers – All Shook Up im Pop-Special 1000 Takte Film sowie Dead Flowers in der Programmreihe In Referenz.