Hinter dem Schneesturm
Dokumentarfilm, DE 2016, Farbe+SW, 92 min., OmdU
Diagonale 2017
Regie, Buch, Originalton: Levin Peter
Kamera: Yunus Roy Imer
Schnitt: Stephan Bechinger
Musik: John Gürtler
Sounddesign: Jonathan Schorr
Produzent:innen: Sarah Schmidt
Produktion: Filmakademie Baden-Württemberg
In den 1940er-Jahren war Levin Peters Großvater als Wehrmachtssoldat in der Ukraine stationiert. Nun, viele Jahre später, teilt der alte Mann seine Erinnerungen mit dem Enkel, der die langen, oft zermürbenden und durch hochemotionale Momente unterbrochenen Gespräche filmt. Ein einfühlsamer Film über das Erinnern, über die Spuren im Gedächtnis und an Orten, die von teils verdrängter Geschichte erzählen.
Mit langen, stillen Einstellungen und der Montage alter
Fotografien des Großvaters dokumentiert Peter die
Erinnerungsarbeit eines Mannes, der von Ereignissen
seiner Vergangenheit, die sich immer wieder
schemenhaft in den Fotos materialisieren, eingeholt
und heimgesucht wird. Es geht um Erinnerungen, die
einen nicht loslassen – die vereiste Landschaft der
Ukraine, Bilderspuren eines Massakers, das lachende
Gesicht einer vergangenen Liebe –, und um das
Nachdenken als Prozess der Verortung des eigenen
Lebens. Auch die Frage von Schuld – „Was hast du
darüber gewusst?“ – wird in den Raum gestellt, die
brennende Frage nach Verantwortung, damals und
heute.
Auf formaler Ebene korrespondiert der Einsatz
von stilistischen Elementen wie Wiederholungen
oder Überlagerungen und Verschiebungen der visuellen
und auditiven Ebene dabei mit der Struktur
des Erinnerns an sich. Die Reise in die Ukraine, die
Peter im Lauf des Films selbst unternimmt, wird zum
Versuch, diesem Erinnern nachzuspüren und dabei
vielleicht Menschen aufzuspüren, die von der Besatzungszeit
und womöglich sogar vom eigenen Großvater
erzählen können.
So ist Hinter dem Schneesturm auch ein Blick
auf Familienstrukturen und die nicht immer unproblematische
Beziehung zwischen den Generationen –
der Blick eines besorgten und neugierigen Enkels auf
seinen altersschwachen Großvater, dessen emotionale
Momente die nachdenklichen Filmbilder durchbrechen.
Ein schöner, eindringlicher Film, der nie ins
Kitschige oder Sentimentale abdriftet. Ein Film, der
den Zuschauer/innen genügend Raum lässt, sich
selbst auf die Suche zu begeben.
(Katalogtext, cw)
Die Bilder von damals sind belichtete Schemen
an den Orten von heute. Es folgt ein Versuch des
Freilegens, des Vergegenwärtigens und Aushaltens
biografischer Anomalien. Am Ende dieses Prozesses
werden beide einen veränderten Blick auf die Schliffe
und Sprünge eines Mensch-Seins haben. Ein Film
über die Suche nach dem Schlüssel zu jenen Schatten,
die Erinnerung heißen.
(Produktionsnotiz)