I'm a bad guy
Dokumentarfilm, AT 2017, Farbe+SW, 92 min., OmeU
Diagonale 2018
Regie, Buch: Susanne Freund
Kamera: Jerzy Palacz
Schnitt: Michou Hutter
Originalton: Eckehard Braun, Joe Knauer
Sounddesign: Gerhard Daurer, Andreas Pils
Weitere Credits: Dramaturgie: Wolfgang Stahl
Tonmischung: Bernhard Maisch
Produzent:innen: Kurt Mayer
Produktion: kurt mayer film
Adolf Schandl: Pensionist,
Stein-Ausbrecher, Karlau-Geiselnehmer.
Mit achtzig Jahren will der
Junggebliebene noch einmal nach
Australien. Doch vierzig Jahre Gefängnishaft
verursachen Probleme
mit dem Visum. Stück für Stück
wächst aus den vermeintlichen
Putzigkeiten des älteren Herrn ein
verknotetes Gebilde: Bedenklich
routiniert ist sein Umgang mit
Wahrheitsverdrehungen, bizarr
seine Definition von Recht und Unrecht.
Ein pointiertes Porträt voller
Aberwitz, ein Stück österreichischer
Kriminalgeschichte.
Man mag es ihm nicht ansehen, aber Adolf
Schandl ist achtzig Jahre alt. Wippend und singend
tanzt er zu poppiger Musik durch seine Wohnung, die
er gewissenhaft in Schuss hält, wenn er sich nicht
gerade seinen ausgiebigen Gymnastikübungen
hingibt.
Wenn er von früheren Liebesbeziehungen
spricht, lässt sich erahnen: Schandl trägt einen
Bauchladen
voller Schlitzohrigkeiten vor sich her.
Dem Traum, in sein geliebtes Land Australien zu
reisen, steht jedoch nicht das Alter im Weg. Schandl
saß, es ist noch nicht lange her, rund vierzig Jahre
im Gefängnis. Das verursacht dann schon mal
Probleme
beim Ansuchen um ein Visum. Ganz zum
Unverständnis
des adretten Herrn – lebte er doch, zumindest
bis Anfang dreißig, ein gar unbescholtenes
Leben. Und eigentlich sieht Schandl sich selbst als
Opfer der Justiz: Angesichts der Harmlosigkeit der
ersten Delikte war die Haftstrafe viel zu hoch angesetzt,
beteuert er mehrfach. Dieser Logik folgend versuchte
er dann, auch der ungerechtfertigten Inhaftierung
zu entkommen.
Susanne Freund zeichnet mit I’m a bad guy ein
pointiertes Porträt voller Aberwitz: Stück für Stück
wächst aus den vermeintlichen Putzigkeiten des
älteren
Herrn ein verknotetes Fadengebilde, das es
misstrauisch zu entwirren gilt. Denn Schandl, der
artig
vor jeder Mahlzeit ein Gebet anstimmt, scheint
bedenklich routiniert im Umgang mit Wahrheitsverdrehungen
und sich obendrein eine bizarre Definition
von Recht und Unrecht gebastelt zu haben.
Als „besonders dynamisch“ bezeichnet ein Strafverteidiger dessen anfängliche Aktivitäten, die sich
über bewaffnete Raubüberfälle zu aufsehenerregenden
Ausbruchsversuchen steigerten. Der Satz des
Polizeipräsidenten Josef Holaubek: „I bin’s, dei Präsident“,
mit dem er die Stein-Ausbrecher und Geiselnehmer
im November 1971 zur Aufgabe überredete,
ging in die österreichische Kriminalgeschichte ein;
der zweite Fluchtversuch, mit dem palästinensischen
Terroristen Tawfik Ben Ahmed Chaovali, gipfelte
1996 in der von großem Medieninteresse begleiteten
Karlau-Geiselnahme. „Du warst brandgefährlich!“,
kommentiert ein Bekannter den jungen Schandl.
Dessen Freundeskreis ist heute überschaubar, und
auch die Tochter verzichtet auf Kontakt. Das macht
ihm zu schaffen, obwohl er sich grundsätzlich als
Einzelgänger versteht. Als einer, der sich selbst
genug ist. Beharrlich fabuliert Schandl also weiter
von einem Leben am Sehnsuchtsort und versucht,
seinen Bewährungshelfer zum Komplizen des letzten
Ausbruchs Richtung Down Under zu machen. Eines
ist Schandl schließlich bereits gelungen: Im Gefängnis
sitzt er nicht mehr.
(Katalolgtext, jk)