To the Night
Spielfilm, AT 2018, Farbe, 102 min., eOmdU
Diagonale 2019
Regie, Buch: Peter Brunner
Darsteller:innen: Caleb Landry Jones, Eléonore Hendricks, Jana McKinnon, Christos Haas, Abbey Lee
Kamera: Daniel Katz
Schnitt: Peter Brunner, Oliver Neumann
Originalton: Michael Moote, YongSoo Lee
Sounddesign: Stefan Rosensprung, Philip Waldenberger, Manuel Grandpierre
Szenenbild: Katie Hickmann
Kostüm: Rachel Dainer-Best
Produzent:innen: Oliver Neumann, Sabine Moser, Carly Hugo, Matthew Parker, Ulrich Seidl, Klara von Veegh
Produktion: FreibeuterFilm
Koproduktion: Loveless, Ulrich Seidl Filmproduktion
Peter Brunner verlangte seinen Darsteller/
innen alles ab. In To the Night
gibt sich Caleb Landry Jones vollkommen
der Figur Norman hin, ein
exzessiver, obsessiver, traumatisierter
Mensch, der einzige Überlebende
eines Feuers, in dem seine Eltern
starben. Als Künstler und Vater will
er für seine Frau und seinen Sohn
ein gutes Leben, scheitert aber jeden
Tag deutlicher. Ein Film wie eine
unbarmherzige Erinnerungsmaschine,
der niemand entkommt.
Norman (Caleb Landry Jones) weiß nicht, wie
er leben soll. Zu oft erinnert er sich an ein Feuer, bei
dem seine Eltern starben. Seit Kurzem ist Norman
selbst Vater. Er ist Freund, Künstler, exzessiv, obsessiv,
rastlos und getrieben. To the Night ist die immersive,
introspektive Darlegung einer Figur, die nicht
vorrangig verbal auf sich selbst reflektiert, sondern
sich mit ihren Lebenserfahrungen körperlich auseinandersetzt
– sie zur Not noch einmal zu durchleben
sucht. Norman überschreitet dafür immer wieder
Grenzen, oft im Namen der Kunst. Eine Obsession,
die rings um ihn alle(s) zersetzt.
Filmisch erzeugt Peter Brunner mittels assoziativer
Bilder und durch die allmähliche Veränderung
der aspect ratio eine Spirale, in die sich Norman so
unablässig tief hineinbewegt (bewegen muss), als
wäre er ein Taucher mit Orientierungsverlust. Den/
die Zuseher/in reißt er dabei mit. Film und Figur
werden auf diese Weise gemeinsam bedeutend: eine
Erinnerungsmaschine, der niemand entkommt.
(Katalogtext, az)
Der Mensch, der mit seinem Körper im Streit
liegt, die Narration des Körpers und die Beziehung
zum eigenen Körper stellen für mich ein umfassendes
und extrem aktuelles Thema dar. Auch die Beziehung
zu anderen Menschen, die Beziehung zur Welt,
basierend auf der Idee, dass wir lebendige Menschen
in einer physischen Welt sind. Ich denke nach wie vor,
dass der Körper der letzte Schrei im 21. Jahrhundert
ist und es gefährlich wäre wegzuhören. Wir leben in
einer Welt, in der wir viele Kausalitäten nicht mehr
begreifen können und uns stattdessen auf Technologien
verlassen. Wollen wir, dass uns intelligente
Algorithmen sagen, wann wir den Klogang verrichten
sollen und uns lieben sollen? Was unterscheidet uns
von diesen idealisierten Eispalastfantasien? Dass wir
leiden können und Gefühle haben? Mir geht es um
ein elementares und ekstatisches Fühlen.
(Peter Brunner)
Brunners ästhetische Sensibilität ist der eines
Leinwandtraumwandlers wie Andrei Tarkowski viel
näher. Seine Filme sind phantasmagorische Streifzüge
durch das Fantasie- und Erinnerungsdickicht
versehrter Figuren, sie oszillieren zwischen Härte und
Sanftmut, Surrealismus und Sinnlichkeit und bleiben
stets unerschrocken frei in Montage und Narration.
(Andrey Arnold, Die Presse)