Querelle
Spielfilm, BRD/FR 1982, Farbe, 108 min., eOF
Diagonale 2019
Regie: Rainer Werner Fassbinder
Buch: Rainer Werner Fassbinder, Burkhard Dries
Darsteller:innen: Brad Davis, Jeanne Moreau, Franco Nero, Laurent Malet, Günther Kaufmann, Hanno Pöschl
Kamera: Xaver Schwarzenberger
Schnitt: Juliane Lorenz, Franz Walsch
Musik: Peer Raben
Szenenbild: Rolf Zehetbauer
Kostüm: Barbara Baum
Produktion: Albatros, Gaumont, Planet-Film
Diagonale im Dialog: Im Anschluss an das Screening findet ein Filmgespräch zwischen Schauspieler Hanno Pöschl und Claus Philipp (Journalist und Autor) statt. Begrüßung: Alexandra Augustin. Mit Unterstützung der Diagonale-Hauptsponsorin Steiermärkische Sparkasse.
„Ich mach dich zum Star“, soll Rainer
Werner Fassbinder zu ihm gesagt
haben. Nicht umsonst gilt Querelle
als tragischer Höhepunkt in Hanno
Pöschls Karriere, als wegweisender
Film seiner Vita. Denn kurz
nach dem Dreh starb der deutsche
Starregisseur, der noch viel mit ihm
vorgehabt haben soll. Querelle
handelt von einem Matrosen, der
sich von Macht, Begehren und Geld
verführen lässt. Eine Geschichte,
die, basierend auf der gleichnamigen
Romanvorlage von Jean Genet,
einen ekstatischen Reigen um Leidenschaft
und Tod zelebriert.
Querelle ist der zentrale Film im Werk Hanno
Pöschls. Die Geschichte vom Matrosen Querelle, der
sich von Macht, Begehren und Geld verführen lässt,
markiert den Höhepunkt in der Karriere des österreichischen
Schauspielers. Die Zusammenarbeit mit
Fassbinder verlief für Pöschl ebenso wegweisend wie
tragisch. „Ich mach dich zum Star“, soll der deutsche
Regisseur zu ihm gesagt haben. Kurz nach dem Dreh
starb dieser 1982. Fassbinder hatte den Schauspieler
für sich entdeckt und große Pläne mit ihm. „Sein
Tod hat Pöschl am stärksten von uns allen betroffen“,
sagt der Fassbinder-Kameramann Xaver Schwarzenberger
über das Verhältnis zwischen dem Regisseur
und seinem Darsteller. Deshalb besetzte er noch im
selben Jahr Pöschl in seinem Regiedebüt Der Stille
Ozean, das er Fassbinder widmete.
Die Geschichte von Querelle basiert auf der
gleichnamigen Romanvorlage von Jean Genet, einem
der polarisierendsten Werke der Nachkriegsliteratur.
Genet, der wegen Diebereien zu hohen Strafen verurteilte
Strichjunge, schrieb das exzentrische Buch 1947
im Gefängnis, Fassbinder verfilmte es mit großem
Staraufgebot. Als der Matrose Querelle (Brad Davis)
mit seinem Schiff Vengeur in Brest ankommt, besucht
er das Bordell Feria, das Lysiane (Jeanne Moreau), die
Geliebte von Querelles Bruder Robert (Hanno Pöschl),
leitet, und wird dort schnell für alle zum Objekt sexueller
Begierde. Doch der junge Mann spinnt teuflische
Intrigen und ermordet seinen Schmuggelkomplizen
Vic (Dieter Schidor). Als er den homosexuellen Gil
(ebenfalls Hanno Pöschl) kennenlernt und erfährt,
dass dieser auch einen Mord begangen hat, bändelt er
mit ihm an, um ihm überdies den Mord an Vic anzuhängen
und ihn der Polizei auszuliefern.
In Fassbinders opulent-schillerndem Melodram
verkörpert der Matrose Querelle die alle Konventionen
zerstörende Rache an der bürgerlichen Gesellschaft:
die Glorifizierung der Homosexualität, den Verrat des
besten Freundes als Akt der Selbstbefreiung, Kriminalität
als Protest und erotisches Erlebnis.
(Katalogtext, ast)
Die von Rolf Zehetbauer entworfene verwinkelte
Alptraumkulisse, hinter der ein seltsames Orange
leuchtet wie die Farbe der Hölle, wird zum idealen
Ort ritueller Verletzungen. Wenn Querelle und sein
Bruder Robert einander gegenüberstehen, mit
gezückten Messern zum tödlichen Kampf (und zum
letzten Liebesakt) bereit, sieht dieses Duell aus wie
ein schwereloses Ballett. Genet spricht von der „Harmonie
eines Tanzes“. Und wenn Blut fließt in diesem
maßlosen Mysterienspiel, ist es dickes Theaterblut.
(…) Der österreichische Schauspieler Hanno Pöschl,
mit dem Fassbinder weiter arbeiten wollte, hat eine
schwierige Doppelrolle: als Querelles Bruder Robert
und als Mörder Gil, zwei Figuren, zu denen sich Querelle
magisch hingezogen fühlt, die ihm sein Spiegelbild
zeigen, die er verrät.
(Hans-Christoph Blumenberg, Die Zeit)
Rainer Werner Fassbinder nimmt Genets Neigung
zum Extremismus der Gefühle und seine Vorstellungen
zu Macht und Begehren und arrangiert sie
in seinem letzten Film zu einem Breitwandgemälde
künstlicher, berauschend unwirklicher Studiopracht.
Ein Reigen um Leidenschaft und Tod, im Zentrum:
Brad Davis als der Matrose Querelle, an dem sich
die Glut der Begierde entzündet, um lichterloh abzubrennen.
Rund um ihn flattert eine europäische
Starbesetzung durch das seltsam distanzierte und
tragisch-ironische Geschehen – wie Motten im Licht.
Und Jeanne Moreau singt Oscar Wilde: „Each man
kills the thing he loves."
(Christoph Huber, Österreichisches Filmmuseum)