Die Praxis der Liebe
Spielfilm, AT 1985, Farbe, 90 min., OmeU
Diagonale 2019
Regie: VALIE EXPORT
Buch: VALIE EXPORT
Darsteller:innen: Adelheit Arndt, Rüdiger Vogler, Wolfgang Kainz, Wolfgang Böck
Kamera: Jörg Schmidt-Reitwein
Schnitt: Juno Sylva Englander
Originalton: Michael Sombetzki
Musik: Stephen Ferguson
Produktion: Valie Export Film
Der männlichen Autoritätsgesellschaft,
gegen die es für die Künstlerin
VALIE EXPORT im Österreich
der 1980er-Jahre auch im Film
anzukämpfen galt, tritt in EXPORTs
drittem Spielfilm eine Protagonistin
gegenüber, die ihr im Öffentlichen
wie im Privaten offensiv die Stirn
bietet. Die Arbeit wird mit einem
internationalen Überraschungsfilm
kombiniert, dessen Gegenüberstellung
Widersprüche forciert und unerwartete
Verbindungslinien zieht. Ein
experimentelles Doppelprogramm,
gefolgt von einer Diskussion.
Der männlichen Autoritätsgesellschaft, gegen
die es für die Künstlerin VALIE EXPORT im Österreich
der 1980er-Jahre auch im Feld des Filmischen
anzukämpfen galt, tritt in EXPORTs drittem Spielfilm
Die Praxis der Liebe eine Protagonistin gegenüber,
die ihr im Öffentlichen wie im Privaten offensiv die
Stirn bietet. Die Arbeit wird mit einem internationalen
Überraschungsfilm kombiniert, dessen Gegenüberstellung
Widersprüche forciert und unerwartete
Verbindungslinien zieht. Ein experimentelles Doppelprogramm,
gefolgt von einer Diskussion.
Im Guckkasten der Peepshow werden Blicke
inszeniert, nackte Körper als Projektionsflächen ausgestellt.
Die Journalistin Judith Wiener (Adelheid
Arndt) ist mit der Kamera auf der Reeperbahn unterwegs.
Ihr an der Ökonomie der Geschlechterverhältnisse
interessierter Bericht wird jedoch nie auf Sendung
gehen: „Sie haben die Aufgabenstellung nicht
verstanden“, meint ein Redakteur daheim in Wien.
Dafür trifft sie im Spiegelkabinett eines Hamburger
Hotels auf Dr. Alfons Schlögel (Rüdiger Vogler), einen
ehemaligen Liebhaber. Dieser entpuppt sich als zentrale
Figur eines Waffenschieberrings – und wird in der
Folge zur neuen Story der engagierten Reporterin.
VALIE EXPORTs dritter Langfilm ist nichtlinear
erzählt, seine Handlung spinnt sich lose um den
Kern eines Kriminalfalls. Die Fäden laufen in der mit
Tonbandgeräten und Bildschirmen ausgestatteten
Wohnung von Judith zusammen. „Eine Art Heimatgeschichte“,
betitelt der „Falter“ ein zeitgenössisches
Interview mit der Regisseurin. Private und berufliche
Verbindungen queren sich im Liebesdreieck von
Judith, Alfons und dem Psychiater Dr. Josef Frischkoff
(Hagnot Elischka). Ihren Professionen und dem
dualistisch angelegten Geschlechterkampf entsprechend
beobachten und reflektieren sich insbesondere
Judith und Josef wechselseitig.
EXPORT verknüpft dabei eine an der Avantgarde
geschulte Form mit reichlich Theorie und kühnem
Gegenwartsbezug: Die österreichische Öffentlichkeit
der 1980er-Jahre, konkret jene von Wien, zeigt
sich als patriarchale und medial saturierte Überwachungsgesellschaft.
Ein Tatort wie Ausfechtungsort
der Bilder und Aufzeichnungen, kommentiert von
treibender Klaviermusik und einem bluesig-sehnsüchtigen
Saxophon. Presseberichte von der 35.
Berlinale, bei der der Film im Wettbewerb lief, dokumentieren
Buhrufe.
Die Programmierung innerhalb der Reihe „Über-
Bilder: Projizierte Weiblichkeit(en)“ folgt dem filmkuratorischen
Konzept der TROUBLE FEATURES,
das darauf abzielt, im Rahmen eines Doppelprogramms
inhaltliche, formal-ästhetische und ideologische
Kontraste und/oder Kongruenzen zwischen
aufeinanderfolgend gezeigten Filmen herzustellen.
Frei nach einem Grundsatz der Montagetheorie:
Wenn zwei Leinwanderfahrungen aufeinandertreffen,
die auf den ersten Blick nicht zusammengehören,
entsteht eine dritte. Nur so viel sei verraten: Die
Praxis der Liebe wird mit einem nichtösterreichischen
Überraschungsfilm kombiniert, der eine eigenwillig-
melancholische Weltanschauung entfaltet. Auf
die offensive Konfrontation mit der männlichen Autoritätsgesellschaft
trifft eine andere Form poetischen
feministischen Kinos: Rückzug als radikale Absage
an jeglichen Anpassungszwang. Ein ebenfalls oft
übersehenes Glanzstück.
(Diskollektiv)