Kein halbes Leben
Dokumentarfilm, AT 2018, Farbe, 70 min.
Diagonale 2018
Regie, Buch: Sybille Bauer
Darsteller:innen: Renate Bauer, Kerstin Brüstl, Florian Grill
Kamera: Marie-Thérèse Zumtobel
Schnitt: Anna Grenzfurthner
Originalton: Ben Palier
Nora Czamler
Simon Spitzer
Ken Rischard
Theda Schifferdecker
Sounddesign: Simon Spitzer
Weitere Credits: Produktion: Lixi Frank
Dramaturgische Beratung: Constantin Wulff, Dariusz Kowalski
Tonmischung: Eric Spitzer
Farbkorrektur, Mastering, DCP: Simon Graf
Casting: Sybille Bauer, Simon Spitzer
zusätzliche Kamera: Sybille Bauer
VHS Kamera: Horst Bauer
Untertitel, Übersetzung: Stefania Schenk Vitale, Wortschatz Produktion
Produzent:innen: Lixi Frank
Ausgehend von der Geschichte
ihrer Mutter begleitet Sybille Bauer
drei Leben, die sich über innige
Verbindungen zwischen Mensch
und Hund definieren. Und erzählt
dabei von Beziehungen, die verloren
gegangen sind – von Vereinzelung
und vom Versuch, das Leben wieder
selbst in die Hand zu nehmen. Ein
Kalenderspruch besagt, der Hund
sei der beste Freund des Menschen.
Diese Weisheit lässt sich mit dem
Film umformulieren: Der Hund ist
für manche der allerbeste Begleiter,
um die eigene Kraft wiederzufinden.
Mit ihrer Mutter Renate sitzt Sybille Bauer auf
dem Sofa – es ist die einzige Szene des Films, in der
die Filmemacherin selbst zu sehen ist. Gemeinsam
durchblättern sie Familienalben, kommentieren lachend frühere Frisuren. „Ist das Bea oder Pia?“, fragt
die Tochter und deutet auf eine doppelseitige Anordnung
von Fotos eines Hundes: im Schnee, schlafend
im Körbchen, unter dem Weihnachtsbaum.
Ausgehend von der Geschichte ihrer Mutter begleitet Sybille Bauer drei Leben, die sich über innige
Verbindungen zwischen Mensch und Hund definieren.
Und erzählt dabei von Beziehungen, die verloren
gegangen sind, und von Vereinzelung. Als Renates
Mann verstarb, spendeten ihr nur die Hunde Trost,
erfährt
die Tochter im wohl emotionalsten Gespräch
des Films. Mitunter waren sie der einzige Grund aufzustehen
und die zutiefst traurige Stille zu durchbrechen.
Florian dagegen wurde von seiner Freundin
verlassen. Während die Trennung noch immer an
ihm nagt, sucht er Vertrauen und Nähe bei seinem
Vierbeiner. Die Mitte zwanzigjährige Kerstin wiederum
zog jung zum Vater und brach mit der Mutter, als
diese versuchte, Tochter und Hund voneinander zu
trennen.
Mit zugewandter Sympathie begleitet der Film
die Protagonist/innen mitsamt ihren steten Begleitern
beim Gassigehen, am Esstisch, bei Alltagsverrichtungen.
Immer wieder bringt sich die Filmemacherin
aus dem Off ins Gespräch ein, während
Marie-Thérèse
Zumtobels Kamera die Mensch-Tier-Beziehungen
sensibel – und ohne nach Absonderlich-
keiten zu fahnden – ins Bild fasst. Fast möchte
man einen therapeutischen
Aspekt im Prozess des
Filmens
ausmachen:
wenn Florian etwa seine Gefühle
mit ruhiger Stimme artikuliert und so auch ein
Stück weit den erlebten Verlust und sein Leben sortiert.
Nach und nach etabliert Bauer neue Akzente in
den drei Erzählsträngen, und zusätzlich zum Gefühl
des Verbundenseins werden sanfte Umwälzungen
in den Blick genommen: Kerstin etwa holt sich Erziehungshilfe beim Tierpsychologen, um dem problematischen
Temperament ihres Hundes Hunter
angemessen
begegnen zu können – weil seine Rasse
auf der Liste der sogenannten „Kampfhunde“ steht,
ist ein besonders achtsamer Umgang gefordert.
Renate, die im Tierheim arbeitet, feixt im engen Gehege entzückt mit einem quirligen Wurf junger Welpen.
Und Florian, der gerne in wohlige Ruhemomente
mit seinem felligen Begleiter einsinkt, erprobt als
Hundepate des Tierschutzvereins neue Spielarten
der Erstbegegnung, um sich auf ein unbekanntes
Tier einzustellen. Ein alter Kalenderspruch besagt,
der Hund sei der beste Freund des Menschen. Diese
Weisheit lässt sich mit dem Film umformulieren: Der
Hund ist für manche Menschen der allerbeste Begleiter, um die eigene Kraft wiederzufinden.
(Katalogtext, jk)