Diagonale
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Aktion! Action! – Bernhard Frankfurter und seine Filme

Bernhard Frankfurter © SYNEMA (Nachlass Bernhard Frankfurter)

Die Diagonale freut sich, zwei Spezialprogramme bekanntgeben zu dürfen, die im März beim Festival des österreichischen Films zu sehen sein werden. Das erste historische Special der Diagonale’23 ist mit dem Titel FINALE überschrieben und umfasst fünf Programme, die gemeinsam mit dem Filmarchiv Austria und dem Österreichischen Filmmuseum sowie unter Mitarbeit des ORF-Archivs ausgewählt wurden. Im zweiten historischen Special Aktion! Action widmen sich SYNEMA – Gesellschaft für Film und Medien und Diagonale dem Filmemacher, Kritiker und Autor Bernhard Frankfurter (1946–1999).

Aktion! Action!: Mit der Unterstützung von Graz 2003, Kulturhauptstadt Europas, war es SYNEMA möglich, den Nachlass von Bernhard Frankfurter zu retten, um ihn sukzessive zu sichern und aufzuarbeiten. 2023 – also genau 20 Jahre später – bringt SYNEMA nun gemeinsam mit der Diagonale und unter Mitwirkung des ORF-Archivs erstmals eine mehrteilige Schau zu Ehren des 1946 in Graz geborenen und 1999 verstorbenen Autors und Filmemachers zur Aufführung. Sämtliche Filmvorführungen der Reihe werden von vertiefenden Gesprächen mit Wegbegleiter*innen von Bernhard Frankfurter gerahmt.

Die historischen Specials FINALE und Aktion! Action! sind vom 22. bis 26. März bei der Diagonale’23 in Graz zu sehen und bieten die rare Gelegenheit, teils eigens digitalisierte und restaurierte Arbeiten aus den heimischen Filmarchiven fernab der Hauptstadt zu sehen.

Aktion! Action! – Bernhard Frankfurter und seine Filme
Frauen von G. (R: Bernhard Frankfurter, AT 1977)
Erz Schmerz (R: Bernhard Frankfurter, AT 1984)
On the Road to Hollywood (R: Bernhard Frankfurter, AT 1982)
Asyl – Szenen aus einem Milieu (R: Bernhard Frankfurter, AT 1973)
Die Vertreibung aus dem Paradies (R: Bernhard Frankfurter, AT 1978)
SS-Nr. … (Ein SS-Arzt in Auschwitz) (R: Bernhard Frankfurter, AT 1984)

Aktion! Action! umfasst vier Programme, die das unbändige Interesse Bernhard Frankfurters an gesellschaftlichen, politischen, kulturellen Soziotopen anschaulich machen und dem Initiator des hochdotierten und nunmehr jährlich bei der Diagonale vergebenen Carl-Mayer-Drehbuchpreises auch jene Anerkennung entgegenbringen, die ihm zu Lebzeiten oft verwehrt geblieben ist.

Liebe das Leben – lebe den Tod. Dieser Titel eines Dokumentarfilms war kennzeichnend für den vitalen (Widerstands-)Geist des Grazer Schriftstellers, Filmemachers und Kritikers, der sich gerade in den Agenden des mühsam um Anerkennung ringenden heimischen Kinos immer wieder aktiv für unverkennbare Handschriften einsetzte“, schrieb Der Standard 1999 in seinem Nachruf auf Bernhard Frankfurter. Seither ist fast ein Vierteljahrhundert vergangen, viele von Frankfurters intensiven filmischen Arbeiten sind in Vergessenheit geraten – und doch erinnern sich alle, die ihn jemals in Aktion erlebt haben, gerne an die vehementen Kinodiskussionen bei den Welser Filmtagen in den 1980er-Jahren, von denen er ebenso wenig wegzudenken war wie aus den endlosen Debatten rund um die nur zögerlich sich etablierende staatliche Filmförderung.

„Die verdiente Anerkennung ist diesem wichtigen Autor und Filmemacher, der als schwierig und unbequem galt, zu Lebzeiten oft verwehrt geblieben. Obwohl er durch seine intensive künstlerische Auseinandersetzung, etwa die unnachgiebige Beschäftigung mit den lange vernachlässigten Themen Filmexil und österreichische Emigration, einen bedeutenden Beitrag zur ‚Rückholung‘ der aus Österreich Vertriebenen leistete.“
——— Brigitte Mayr, SYNEMA

On the Road to Hollywood © Gerhard P. Winter/SYNEMA (Nachlass Bernhard Frankfurter)

Graz, Wien, Paris: Frankfurters Weg
Frankfurter wurde in Graz geboren und studierte Philosophie, Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Wien. Als Mitglied der linksliberalen Studierendenvereinigung Aktion veröffentlichte er politische Analysen und Manifeste. Im Zuge eines Stipendiums in Paris wurde er 1969 Zeuge der Studierendenrevolte. Die dort gemachten Erfahrungen sollten fraglos Frankfurters späteres entschiedenes Engagement begründen: Als Achtundsechziger galt seine Aufmerksamkeit stets brisanten politischen und verdrängten historischen Themen.

Nach seiner Rückkehr nach Wien entschloss sich Frankfurter zum Studienabbruch, wurde Redakteur des eben gegründeten Wochenmagazins profil, schrieb als freier Mitarbeiter für die Arbeiter-Zeitung und das Extrablatt. 1972 folgte eine Anstellung beim ORF, wo er über die Jahre an etlichen Dokumentationen, Features und Magazinbeiträgen beteiligt sein und die freien Mitarbeiter*innen in der Sektion Journalismus von 1975 bis 1979 gewerkschaftlich vertreten sollte. 1977 gründete Bernhard Frankfurter mit seinem Freund Michael Pilz und anderen das Syndikat der Filmschaffenden Österreichs, das sich unermüdlich für die Einrichtung einer österreichischen Filmförderung einsetzte. Bis heute gilt es als Frankfurters großer Verdienst, hier als Zündfunke agiert zu haben.

Vor diesem Hintergrund bildet auch das bei der Diagonale’23 präsentierte dokumentarische Doppel aus der Arbeitswelt Bernhard Frankfurters feines Gespür für soziale Schieflagen und den Wandel der österreichischen Industrielandschaft ab: Zuerst nähen die Frauen von G. (AT 1977) im Akkord, anschließend herrscht Erz Schmerz (AT 1984) am Erzberg, dem „steirischen Brotlaib“, der die Bevölkerung kaum noch ernährt.

Vertreibung, Asyl, Exil
Ein weiterer Themenkreis, dem sich der Regisseur und Drehbuchautor in seinen (Low-Budget-)Produktionen wiederholt zuwandte, ist die Zeit des Nationalsozialismus: In On the Road to Hollywood (AT 1982) folgt Frankfurter zwischen 1933 und 1938 vertriebenen Regisseuren, Autoren, Schauspieler*innen in die Emigration – von Wien über Prag und London bis New York und Hollywood. Die Vertreibung aus dem Paradies (AT 1978) wiederum ist ein unkonventionelles Künstlerporträt, das die Entstehung des gleichnamigen Gemäldes von Franz Ringel dokumentiert. Dem warmherzigen Dokumentarfilm wird bei der Diagonale’23 der Kurzfilm Asyl – Szenen aus einem Milieu (AT 1973) vorangestellt, der die Lebensumstände in einem Elendsviertel von Graz, dem berüchtigten Barackenlager Nord, anschaulich macht. Den Abschluss der Reihe Aktion! Action! bildet ein an zwei Tagen geführtes Gespräch mit Hans Wilhelm Münch, der, wie Josef Mengele, SS-Arzt in leitender Position im Vernichtungslager Auschwitz war: SS-Nr. … (Ein SS-Arzt in Auschwitz) (AT 1984) ist ein auf Super8 gedrehtes brisantes Zeitdokument, in dem Frankfurter das Kinopublikum direkt adressiert: „Wie sehr in meinem Beitrag der Prozess der Selbstaufdeckung, der Entlarvung, der Präsenz der Psychostrukturen von Täterschaft manifestiert wird, ist Ihrer Wahrnehmung überlassen.“

Carl-Mayer-Drehbuchpreis
Neben seiner Filmarbeit publizierte Bernhard Frankfurter Artikel in Zeitschriften, verfasste tiefsinnige Essays für wissenschaftliche Sammelbände und war Autor und Herausgeber mehrerer Bücher. Die Beschäftigung mit dem außergewöhnlichen Künstler Carl Mayer („Carl Mayer. Im Spiegelkabinett des Dr. Caligari. Der Kampf zwischen Licht und Dunkel“) führte ihn zu seinem nächsten Bravourstück: 1989 initiierte Bernhard Frankfurter als soziale Absicherung von Filmschaffenden den hochdotierten Carl-Mayer-Drehbuchpreis, der seit 2000 jährlich im Rahmen der Diagonale in Graz vergeben wird. Gemeinsam mit dem Thomas Pluch Drehbuchpreis wird er 2023 wie gewohnt am Freitagvormittag des Festivals des österreichischen Films verliehen.

 

 

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