Auf die Frage nach dem Kinderfilm in Österreich, ist die Antwort selbst eine Frage: Wo ist er? Nach außen hin wenig präsent, nach innen ebenso. Es soll hier aber nicht der Eindruck erweckt werden, es gäbe keinen einzigen Kinderfilm, der in Österreich produziert wurde. Man erinnert sich an Die drei Posträuber (Andreas Prohaska 1998), an den Sommer mit einem Burggespenst (Bernd Neuburger 2003) oder auch an Karo und der liebe Gott (Danielle Proskar 2006). Um Zahlen sprechen zu lassen, wurden seit 1986 in Österreich 17 Kinderfilme produziert. Gut beraten, wer hier keinen internationalen Vergleich anstrebt. An literarischen Vorlagen für Kinderfilme herrscht hingegen kein Mangel, wurden doch unzählige Bücher von Christina Nöstlinger verfilmt – ein Großteil davon im Ausland. Ein Schicksal, das schon Felix Saltens Bambi zu Teil wurde.
Kann man bei dieser Unregelmäßigkeit von dem österreichischen Kinderfilm sprechen? Wohl kaum. Filme für Kinder haben in Österreich keine Tradition – Hand in Hand gehend mit einer wenig ausgeprägten Tradition von Kinderliteratur. Noch drastischer formuliert, gründet sich diese Tatsache auf ein gesellschaftlich schwaches Bewusstsein für Kindheit und Kindsein im allgemeinen Sinn. Damals wie heute. Und doch scheint sich jede/r an sein erstes Kinoerlebnis zu erinnern: An die Anspannung davor, an die Hektik bei Einlass, an die Panik, als das Licht ausging und an die Faszination, die Überhand nahm, als die Bilder auf der Leinwand begannen, sich zu bewegen. Kinder in den Kinosesseln erleben das Ereignis Film enorm intensiv, Eindrücke bleiben haften und prägen tief. Ein großes Unrecht, das dem Kinderfilm durch dieses Aufmerksamkeitsdefizit zu Teil wird.
Die Gründe für die fehlende Kinderfilmproduktion in Österreich sind vielfältig. Allen voran, die leidige Sache mit dem Geld: „Filme, die speziell für Kinder- und Jugendliche gemacht werden, auf deren Lebensrealität und Bedürfnisse differenziert eingehen, [sind] in der Minderheit gegenüber dem unspezifischen kulturindustriellen Angebot.“ (1)
Die Gründe dafür sind hauptsächlich finanzieller Natur: Qualität kollidiert mit den Interessen der kapitalistisch orientierten Filmbranche. Kinderfilme haben eine längere Amortisationszeit, hohe Produktionskosten, seltene Spieltermine, niedrige Eintrittsgelder und eine schwache Verbreitung. Skandinavische und sozialistische Länder steuerten mit staatlichen Subventionen für Kinderfilmproduktionen dergleichen Entwicklungen entgegen. Österreich nicht.
Apropos Qualität: Rein wissenschaftlich gesprochen, muss ein guter Kinderfilm eine Reihe an Funktionen erfüllen: eine kreative, kulturelle, pädagogische, soziale und eine gesellschaftlich-politische Funktion. Rein intuitiv gesprochen, muss ein guter Kinderfilm Kinder ernst nehmen. Er muss ein Stück Lebensrealität zeigen, ihren Blickwinkel einnehmen, kindliche Bedürfnisse aufgreifen und ihnen ein Fenster zur Welt sein. Außerdem spricht nichts dagegen, dass ein Kinderfilm Kunst ist: „Kinderfilme müssen künstlerisch wahr sein. Ich habe das Gefühl, daß Kinder ein Recht auf künstlerische Filmerlebnisse haben.“ (Astrid Lindgren)
(1) Erber-Groiß, Margarete (1989): Unterhaltung und Erziehung. Studien zur Soziologie und Geschichte des Kinder- und Jugendfilms. Frankfurt/Main: Peter Lang (= Europäische Hochschulschriften, Bd.27), S.157