Eröffnungsfilme’23: Das Tier im Dschungel von Patric Chiha und NYC RGB von Viktoria Schmid
Die Diagonale freut sich, bekanntgeben zu dürfen, dass das Festival des österreichischen Films am Dienstag, den 21. März mit Patric Chihas Spielfilm Das Tier im Dschungel (La bête dans la jungle, AT/BE/FR 2023, 103 min) eröffnet. Dem Langfilm zur Seite gestellt wird in diesem Jahr Viktoria Schmids experimentelle Miniatur NYC RGB (US/AT 2023, 7 min), deren Weltpremiere den Auftakt des Galaabends bildet.
Nach seiner Uraufführung bei der Berlinale wird der von Ebba Sinzinger und Vincent Lucassen (WILDart FILM) mitverantwortete Film Das Tier im Dschungel im Anschluss auf der temporär größten Leinwand des Landes – in der Helmut List Halle – in Anwesenheit von Patric Chiha, Karina Ressler (Montage), Dino Spiluttini (Originalmusik), Céline Bozon (Kamerafrau), den Produzent*innen und Teilen des internationalen Schauspielensembles rund um Anaïs Demoustier, Tom Mercier, Béatrice Dalle und Martin Vischer als österreichische Erstaufführung zu sehen sein. Patric Chihas Das Tier im Dschungel ist eine pulsierende Ode an großstädtische Clubkultur, ein Plädoyer für die befreiende Macht des Sichverlierens im Rausch des Tanzes, des Lebens, der Liebe. Mit NYC RGB wiederum zeigt Viktoria Schmid einen durch historische Farbfilmverfahren verschobenen Blick auf New York. Ein Beweis für das die Wirklichkeit aufsprengende Potenzial des Kinos.
„Wir freuen uns, den letzten von uns verantworteten Diagonale-Eröffnungsabend mit einem der Welt zugewandten Programm zu begehen: Patric Chihas Kino verweigert sich seit jeher geografischer und genrespezifischer Zuschreibungen. Das Tier im Dschungel ist ein melancholischer, wunderschöner Film von größter Eleganz und faszinierender Anmut. Das ist nicht nur in Zeiten wie diesen ein wahrer Glücksfall. Selten gab sich das österreichische Kino mondäner, waren sich Kino-, Pop- und Clubkultur vor dem Hintergrund der immer wieder einbrechenden‚ kurzen Geschichte des 20. Jahrhunderts näher. Selten hat sich das Kino hierzulande selbstbewusster als Sehnsuchtsmaschine artikuliert. Zum Auftakt und dazu wahlverwandt: NYC RGB, Viktoria Schmids ‚farbverschobene‘ Ode an das Kino, an die Filmgeschichte und die untrennbar damit verwobene Stadt New York City. Mit Patric Chiha und Viktoria Schmid führen all jene Themen und Motive über die Leinwand ins Festival, die uns in all den Jahren fasziniert haben: Musik, Pop – und nicht zuletzt das Kino selbst. Zuvorderst: die Sehnsucht und die Liebe. Ein Doppel der Sinnlichkeit! Wir freuen uns außerordentlich, gemeinsam mit dem Eröffnungspublikum in eine rauschhafte Nacht einzutauchen.“
——— Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber, Festivalleitung
Paris, Berlin, Graz – Mode, Film, Tanz!
Patric Chiha wurde 1975 in Wien geboren. Er studierte Modedesign in Paris und Filmmontage an der INSAS in Brüssel. Nach einer Reihe von Kurzfilmen – darunter der in der steiermärkischen Ramsau realisierte Home (FR/AT 2006) – drehte Chiha 2009 seinen ersten Langspielfilm Domaine (AT/FR 2009), der beim Filmfestival in Venedig Premiere feierte und bei der Diagonale’10 zu sehen war. Seine Filme werden erfolgreich auf internationalen Festivals gezeigt, darunter die beiden Dokumentarfilme Brüder der Nacht (AT 2016) und Wenn es Liebe wäre (FR 2019), die nach ihrer Uraufführung bei der Berlinale auch im Wettbewerbsprogramm des Festivals des österreichischen Films in Graz gezeigt wurden. Chiha war Teil der Spielfilmjury der Diagonale’19, Das Tier im Dschungel ist sein fünfter abendfüllender Film.
Das Tier im Dschungel: „Man muss tanzen, das kann uns niemand nehmen.“
Patric Chihas Das Tier im Dschungel führt in den Nachtclub einer Großstadt, in dem die beiden Hauptfiguren May (Anaïs Demoustier) und John (Tom Mercier) sich für einen Zeitraum von über zwanzig Jahren wie in einem Spinnennetz verfangen. Die beiden sind seit ihrer Jugend durch ein mysteriöses, unergründliches Geheimnis aneinandergefesselt. Während sie auf dessen Eintreten warten, erbebt in ihren Körpern und um sie herum die Musik von 1979 bis 2001, befinden sich Zeit und Moden ringsum im steten Fluss.
„Man muss tanzen, das kann uns niemand nehmen.“ Die Kraft des tanzenden Körpers und der Rausch der Freiheit, der ihm dabei innewohnt, waren seit jeher Mittel der Rebellion, aber auch Akte des Aufbäumens. Im Nachtclub keimt der Widerstand, er war immer schon Ort der Realitätsflucht, der unendlichen (Un-)Möglichkeiten, des Ausbrechens aus den Zumutungen des Alltags und der Selbstermächtigung zugleich. Hier bilden sich Gemeinschaften, hier führt Begehren nicht selten zu Liebe. Stets ist er ein sinnlicher und auch politischer Ort, an dem sich Subkultur und Mainstream aneinander reiben, Konventionen gebrochen und neue Regeln etabliert werden – die Nacht folgt ihren eigenen Gesetzen.
Patric Chihas Das Tier im Dschungel fesselt uns an den Nachtclub einer Großstadt, in dem die beiden Hauptfiguren May und John sich für einen Zeitraum von über zwanzig Jahren wie in einem Spinnennetz verfangen. Die beiden sind seit ihrer Jugend durch ein mysteriöses, unergründliches Geheimnis aneinandergefesselt. Während sie auf dessen Eintreten warten, erbebt in ihren Körpern und um sie herum die Musik von 1979 bis 2001, befinden sich Zeit und Moden ringsum im steten Fluss. Frei nach einer Kurzgeschichte von Henry James fiebern wir mit May (Anaïs Demoustier) und John (Tom Mercier) dem Unbekannten entgegen, lauschen ihrem Dialog der Obsession und harren mit ihnen der allerfüllenden Erlösung. Chiha gelingt es auf grandiose Weise, die Zartheit des ebenso tiefgehenden wie fragilen Bandes zweier Menschen mit der schieren Überwältigung von Clubsound und -licht zu verweben – und dabei die betörendsten und lustvollsten Tanzszenen des gegenwärtigen Filmgeschehens zu inszenieren. Seine ausgeprägte Feinfühligkeit für Choreografie hat Chiha bereits 2019 mit Wenn es Liebe wäre unter Beweis gestellt – eine Hommage auf das junge Ensemble der gefeierten Performancearbeit „Crowd“ von Gisèle Vienne. Vom queeren Discoglitter und von ineinander verschlungenen Körpern der 1970er-Jahre über New Wave und Klaus Nomi bis hin zur Vereinzelung der drogeninduzierten Techno-Trance der 1990er-Jahre beschreibt Chiha den Club als gemeinschaftlichen Ort der Freiheit, in den jedoch das politische Weltgeschehen regelmäßig einbricht. Als einzige Allwissende – selbstverständlich die Türsteherin – geleitet die legendäre Béatrice Dalle uns als Erzählerin mirakelgleich hin zum Unausweichlichen. Chihas Ode an das zeitlose Mysterium Liebe und die Clubkultur ist ein Plädoyer für die befreiende Macht des Sichverlierens im Rausch des Tanzes – im Rausch des Lebens.
Vom Lichtschwert zum Farbecho: Ein Kreis schließt sich!
Seit 2014 ist Viktoria Schmid regelmäßiger Gast bei der Diagonale in Graz. Ihre 2015 als Teil des HDA-Architektursommers präsentierte Installation „DON’T MAKE ME DESTROY YOU“ war das erste Projekt, das Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber in ihrer Funktion als Festivalintendanz in Graz umsetzten. Mit ihrem cineastischen Environment befragte Schmid damals das Verhältnis von Architektur, Kino und Leinwand: Was passiert, wenn sich der ikonische Lichtschwertkampf aus Star Wars in den Ausstellungsraum übersetzt? Die Arbeit stand sinnbildlich für Schmids Praxis im Übergangsbereich von Kino und musealer Präsentation.
Viktoria Schmid wurde 1986 in Neuhofen geboren und studierte Filmwissenschaft an der Universität Wien, an der Kunstuniversität Linz sowie an der Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film in Wien. Sie zeigt ihre Arbeiten international im Ausstellungs- und Filmfestivalkontext, ihre innovativen Kurzfilme IT‘S A DANCE (AT 2013), A proposal to project (AT 2017), W O W (Kodak) (AT 2018), A Proposal to project in Scope (AT/LT 2020) und KatharinaViktoria 2(021) (AT 2021) wurden allesamt beim Festival des österreichischen Films in Graz aufgeführt. Viktoria Schmids neueste Arbeit NYC RGB ist Teil des Wettbewerbsprogramms der Diagonale’23. Darüber hinaus wird mit W O W (Kodak) auch im diesjährigen historischen Special FINALE eine Arbeit von Viktoria Schmid zu sehen sein.