Die guten Jahre
Dokumentarfilm, AT 2024, Farbe, 94 min., OmeU
Diagonale 2024
Regie, Kamera: Reiner Riedler
Buch: Katja Schröckenstein, Reiner Riedler
Darsteller:innen: Michael Appelt, Christine Appelt, Frank Robert, Astrid Biribauer, Katharina Schrems, Hannes Kment
Schnitt: Gerhard Daurer; Zusätzlicher Schnitt: Martin Biribauer
Originalton: Eva Hausberger, Maximilian Rosenberger, Andreas Pils
Musik: Imre LB; Zusätzliche Musik: Martin Hemmer
Sounddesign: Andreas Pils / Primitive Studios
Weitere Credits: Dramaturgie: Gerhard Daurer; Beratung Konzept: Katja Schröckenstein; Beratung Schnitt: Eva Hausberger; Künstlerische Beratung: Frank Robert; DIT / Erster Kameraassistent / Drohne: Maximilian Rosenberger; Color Grading und Compositing: Bernhard Hochenauer; Produktionsberatung: Catrin Freundlinger, Veronika Hraby;
Titel Design: Michael Fürnsinn
Produzent:innen: Reiner Riedler
Produktion: Reiner Riedler Filmproduktion
Michael zieht mit 53 Jahren zurück in sein Kinderzimmer, nachdem bei seiner Mutter eine beginnende Demenz diagnostiziert wurde. Ist der an Depressionen leidendende Fotograf der neuen Lebensaufgabe gewachsen? Reiner Riedler begleitet seinen langjährigen Freund mit der Kamera und dokumentiert anschaulich die Herausforderungen von Pflege. Eine sensible dokumentarische Beschreibung des liebevollen Zusammenfindens von Mutter und Sohn.
Michael zieht zurück in sein Kinderzimmer. Dort hängen noch die Poster von Elvis und Apocalypse Now. Und viele Erinnerungen: an glückliche Kinderspiele mit seiner Schwester Monika, unbeschwerte Italienurlaube, seine erfolgreiche Karriere als Fotograf und den verstorbenen Vater. Michael ist 53 Jahre alt und hat sich entschlossen, seine Mutter zu pflegen, bei der eine beginnende Demenz diagnostiziert wurde. Allein leben wird für sie zunehmend unmöglich. Zunächst sind es nur der Herd, den sie auszuschalten vergisst, und ihre Krankenkassenkarte, die sie vergeblich sucht – doch dabei bleibt es nicht. Michael leidet selbst an einer Lungenkrankheit und Depressionen, zudem ist er traumatisiert von einem langen Spitalsaufenthalt. Ist er der neuen Lebensaufgabe gewachsen?
Reiner Riedler begleitet seinen langjährigen Freund in seinem Alltag und dokumentiert äußerst sensibel und liebevoll, wie Mutter und Sohn in dieser besonderen Konstellation zusammenfinden. Michael schultert die ungewohnte Sorgearbeit mit Humor, Gelassenheit, aber auch erkennbarer Bereitschaft, etwas zurückzugeben: Er schreibt Schilder, dass Mutti nicht vergessen soll, zu trinken, macht mit ihr Konditionsübungen auf dem Hometrainer und hebt sie zurück ins Bett, aus dem sie in der Nacht gefallen ist.
Das Bild des pflegenden Sohns ist nach wie vor ungewöhnlich: Als umgekehrte Pietà inszeniert sich Michael mit der Mutter auf dem Schoß in einer seiner Fotoarbeiten. Riedler beschäftigt sich behutsam mit einem gesellschaftlich tabuisierten Thema, denn Pflege ist oft untrennbar mit dem Tod verbunden. Wie geht man damit um, wenn sich die Rollen plötzlich umkehren und man selbst Entscheidungen für seine Eltern treffen muss? Was passiert, wenn uns die Kraft verlässt und wir uns nicht mehr um unsere Liebsten kümmern können? Die guten Jahre kratzt an diesen oft verdrängten Wahrheiten und Eventualitäten. Dass der Alltag als Pflegender durchaus als große Bereicherung gesehen werden kann, zeigt Riedlers versöhnliche Auseinandersetzung mit dem Älterwerden. (Anna Steinbauer)