Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste
Spielfilm, CH/AT/DE/LU 2023, Farbe, 111 min., OmeU
Diagonale 2024
Regie, Buch: Margarethe von Trotta
Darsteller:innen: Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld, Tobias Resch, Luna Wedler, Marc Limpach
Kamera: Martin Gschlacht
Schnitt: Hansjörg Weißbrich
Originalton: Patrick Storck
Musik: André Mergenthaler
Sounddesign: Georg Tomandl
Szenenbild: Su Erdt
Kostüm: Uli Simon
Weitere Credits: Maskenbild: Marc Hollenstein
Produzent:innen: Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Bady Minck, Katrin Renz, Bettina Brokemper
Produktion: Amour Fou Vienna
Koproduktion: tellfilm (CH), Amour Fou (LU), Heimatfilm (DE)
Margarethe von Trottas prachtvoll ausgestattetes Biopic montiert zwei Episoden aus dem Leben Ingeborg Bachmanns ineinander: die unglücklich verlaufende Liebesbeziehung der Dichterin mit Max Frisch und eine Afrikareise, die Bachmann nach der Trennung von dem Schweizer Romanautor unternahm. Von Trotta erzählt von erdrückendem männlichem Besitzdenken – und zeigt doch, dass das Leben der berühmten Schriftstellerin weit mehr war als ein ewiges Martyrium.
Der Film führt zurück in die Fünfziger- und Sechzigerjahre, eine Zeit, in der Liebesgeschichten noch mit verschämten Küssen im Hotelkorridor begannen und unverheiratete Frauen mit „gnädiges Fräulein“ angeredet wurden. Als – stets perfekt gekleidete – Starliteratin, deren Unabhängigkeitsbestreben von ihrer Umgebung als amüsante Macke toleriert wird, bewegt sich Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps) durchaus geschmeidig durch diese Welt; zumindest bis sie eines Tages in einer Hotellobby Max Frisch kennenlernt – den Mann, mit dem sie im Anschluss eine mehrjährige unglücklich endende romantische Beziehung führt.
In Ronald Zehrfelds Verkörperung hat der Schweizer Schriftsteller eine massive, etwas ungelenke Präsenz, der Bachmann sich von der ersten Begegnung an nicht entziehen kann und meist nur mit einem unsicheren, offenen Lächeln zu begegnen weiß. Eine Präsenz, die ihn zudem deutlich abhebt von den anderen Männern, mit denen sich Bachmann ansonsten mit Vorliebe umgibt. Die Schwere, das Besitzergreifende, die Eifersucht, die sich in jedem Raum breitmachen, den Frisch betritt … Um wie viel leichter und lebensfroher fühlt sich dagegen die jugendlich-schwärmerische Arroganz Hans Werner Henzes (Basil Eidenbenz) an oder, erst recht, die unneurotische Zugewandtheit des jungen Autors und Filmemachers Adolf Opel (Tobias Resch)!
Mit Letzterem unternahm Bachmann 1964, ein Jahr nach der endgültigen Trennung von Frisch, eine mehrwöchige Afrikareise, die den zweiten, hellen, aber in gewisser Weise auch weltabgewandten Pol des Films bildet. Regisseurin Margarethe von Trotta entfaltet Bachmanns Leben als Parallelmontage, mit der großen Liebesenttäuschung als Kipppunkt. Diese Struktur hat den Vorteil, dass die Biografie nicht zum Martyrium verkürzt wird. Vielmehr wird die klaustrophobische Enge der Szenen mit Frisch immer wieder aufgefangen von den weiten Wüstenhorizonten Afrikas sowie von einer Vision geschlechtlicher Intimität, in der „das erste in der Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau“ eben nicht mehr „der Faschismus“ ist, den Bachmann hier am Werk sah. (Lukas Foerster)