Mädchen in Uniform
Spielfilm, BRD/FR 1958, Farbe, 95 min., dOF
Diagonale 2024
Regie: Géza von Radványi
Buch: Franz Hoellering, F. D. Andam nach dem Theaterstück „Ritter Nérestan" von Christa Winsloe
Darsteller:innen: Romy Schneider, Lilli Palmer, Therese Giehse, Blandine Ebinger, Christine Kaufmann, Sabine Sinjen, Immy Schell
Kamera: Werner Krien
Schnitt: Ira Oberberg
Musik: Peter Sandloff
Produktion: Artur Brauner, CCC-Film (Berlin)
Es ist eine versteinerte Welt, die die sensible Halbwaise Manuela 1910 im preußischen Internat erwartet. Die Frau Oberin predigt Zucht und Ordnung, die Mädchen sollen zu Soldatenmüttern erzogen werden. Fräulein von Bernburg hingegen setzt bei ihren Schützlingen auf Kameradschaft und Kunst. Mit einem scheuen Kuss auf den Mund der angehimmelten Lehrerin bringt Manuela das institutionelle Gefüge ins Wanken. In den Hauptrollen drei legendäre Schauspielerinnen: Therese Giehse, Lilli Palmer und, schlicht hinreißend, Romy Schneider.
Das bundesrepublikanische Kino der Fünfzigerjahre griff gerne auf Stoffe aus der Zeit der Weimarer Republik zurück, siehe Filme wie Scampolo, Der letzte Mann oder Die Nibelungen, allesamt ein wenig dröge. Mädchen in Uniform von 1958 ist eine erfreuliche Ausnahme, weil das Remake nicht hinter dem Original von 1931 zurückbleibt. Auch wenn der Film zu seiner Zeit bei der Kritik auf wenig Gegenliebe stieß, darf er inzwischen Klassikerstatus für sich behaupten.
In der Rückschau stellt sich das Preußen der Zehnerjahre des vorigen Jahrhunderts trotz behänder Kameraarbeit und prächtigem Eastmancolor fast noch abweisender und kälter dar als damals. Blaue Wände, dunkelgrüne Türen und herbstlich kahle Bäume hinter den Fenstern: Alles in dieser Zitadelle der Zucht und Ordnung, in der nur „Männer aus Kupfer und Messing“ geduldet sind, ist wie erstarrt. Hier sollen adelige Mädchen zu Soldatenmüttern erzogen werden. Vor der gemeinsamen Ausspeisung – „ein Pfund Butter für 88 Mäuler“ – schreitet die Oberin (Therese Giehse) die Reihen der versammelten Mädchen wie ein General die Parade ab. „So schlimm hab ichʼs mir nicht vorgestellt“, sagt Neuankömmling Manuela (Romy Schneider), als man ihr die letzten Erinnerungsstücke an ihre verstorbene Mutter wegnehmen will. Sie erträgt das Internatsleben nur dank der Zuwendung von Elisabeth von Bernburg (Lilli Palmer), einer ihrer Lehrerinnen, die als Einzige versteht, dass die Jugendlichen über die Liebe zu Kunst und Sprache einen Weg in die selbstbestimmte Freiheit finden könnten. Doch ihr Verständnis löst bei Manuela das aus, was strengstens verboten ist in diesem Erziehungssystem: eine Liebe, die so nicht sein darf. Ein flüchtiger Kuss zwischen dem Mädchen und der angehimmelten Lehrerin bringt das fragile Gefüge zum Wanken.
Der große, vielleicht erhoffte Skandal wurde Géza von Radványis Mädchen in Uniform nicht, dazu kam die Kritik am Soldatentum und am Modell Kinder, Kirche, Küche zu moderat daher. Bis heute wirklich überzeugend hingegen sind die schauspielerischen Leistungen, nicht zuletzt von Romy Schneider, die hier erstmals gegen ihr süßliches Sissi-Image anspielt. „Lilli Palmer entwickelt ein wirklich nobles kultiviertes Spiel“, befand etwa die Berliner Zeitung Der Tag (16.10.1958), „und Romy Schneider überrascht mit einer imponierenden darstellerischen Eindringlichkeit. Sie wirkt echt in ihrer anfänglichen Scheu und ihrer seelischen Verklemmung, aber auch in ihren späteren Gefühlsausbrüchen.“ Anders als im Original, dessen Hauptdarstellerinnen Hertha Thiele und Dorothea Wieck beide Jahrgang 1908, also gleich alt waren, gehört der Kontrast zwischen den Schauspielstars aus drei verschiedenen Generationen (Giehse, Palmer, Schneider) mit zum Reizvollsten des Remakes. (Brigitte Mayr / Michael Omasta)
Mit einer Einführung von Alexandra Seibel
Kuratiert von SYNEMA