Let mrtve ptice / Der Flug des toten Vogels
Spielfilm, YU 1973, 83 min., OmeU
Diagonale 2024
Regie: Živojin Pavlović
Buch: Brank Sömen
Darsteller:innen: Polde Bibič, Majda Grbac, Arnold Tovornik, Rudi Kosmač, Jože Zupan
Kamera: Milorad Jaksic-Fandjo
Schnitt: Olga Skrigin
Originalton: Herman Kokove
Musik: Aleksander Vlaj
Kostüm: Irena Felicijan-Preinfalk
Produktion: Viba Film
Slowenien, 1973. Drei Brüder stellen sich auf unterschiedliche Weise dem Alltag in ihrem Heimatdorf. Während der älteste als reicher Gastarbeiter zurückkehrt, kämpfen die zu Hause gebliebenen jüngeren Brüder gegen den fortschreitenden Zerfall der dörflichen Struktur: Der Ort kämpft gegen eine Rinderseuche, und das Geld hinter der nahen Grenze lockt die Männer nach Österreich. Doch bietet sich dort ein besseres Leben? Ein bitteres Sommermärchen über vergebliche Hoffnungen und unverwirklichte Träume.
Wenn er von der Armee zurückkommt, müsse er zu Hause bleiben, meint der alte Großvater zu seinem erwachsenen Enkel. Noch verbringt der junge Mann den Sommer in seinem slowenischen Heimatdorf nahe der österreichischen Grenze, doch am Ende dieses Films heißt es für ihn als frisch Verliebter Abschied nehmen. Dann sind nicht nur für ihn die Monate wie im Flug vergangen. Auch die Störche, die zu Beginn dieses Films angeflogen kommen, machen sich wieder auf Richtung Süden.
„So ein schönes und reiches Land gibt es sonst nirgends in der Welt“, meint der Großvater. Das mag für ihn wohl stimmen, doch die Bewohner:innen der Region Prekmurje im äußersten Nordosten Sloweniens sehen das in diesem Sommer möglicherweise anders. Die Maul- und Klauenseuche rafft die Rinder dahin, die Kadaver müssen abtransportiert und verbrannt werden. Für die Heuernte fehlen die Männer, denn bereits zu viele von ihnen haben sich auf Weg in den Norden gemacht. Im nahen Österreich gibt es Anfang der Siebzigerjahre genug Arbeit und bessere Löhne. Der aus Deutschland in seinem Sportwagen anreisende Ferenc, der in der alten Heimat nunmehr Urlaub macht, ist zum reichsten Mann des Dorfes geworden. Ein schwitzender Lebemann mit Schnauzer und Sonnenbrille, der der jungen Anka nachstellt.
In ruhigen, ausdrucksstarken Bildern verfolgt Živojin Pavlović in seinem 1974 in Cannes präsentierten Spielfilm die Geschichte des Dorfes anhand der Biografien dreier Brüder. Über Ferenc’ Ankunft nicht eben begeistert zeigen sich der in die Jahre gekommene Junggeselle Tjas, der um Ankas Hand anhält, weil er eine Frau für den Haushalt sucht, und Tunc, als Tierarzt das personifizierte Gewissen des Dorfes. Die Brüder unterschiedlichen Charakters repräsentieren den jeweiligen Umgang mit den Veränderungen, die über das Dorf hereinbrechen: Kann man sich den Herausforderungen der Gegenwart entziehen, indem man auf überkommenen Vorstellungen beharrt? Soll man andererseits Traditionen tatsächlich hinter sich lassen, wenn man zur Anpassung an veränderte Lebensumstände gezwungen ist?
Die Störche würden der Legende nach Glück bringen, so Anka zu Beginn, doch jedes Jahr kämen weniger von ihnen. Eine melancholisch-bittere Aussicht, die sich im Laufe des Films durch eine Reihe von Unglücksfällen bewahrheitet. Der Zerfall der dörflichen Struktur und die Entwurzelung schreiten unaufhaltsam voran, der Zusammenhalt zerbricht. Letzte Station: Graz, Österreich. Hell erleuchtete Schaufenster, die gekauftes Glück versprechen. (Michael Pekler)