Auf den Barockaden
Dokumentarfilm, AT 2014, Farbe, 85 min., OmeU
Diagonale 2015
Regie, Buch: Doris Kittler
Darsteller:innen: mit House of Paint, Eva Hottenroth, Monika Roesler, Otto Lechner, Jón Gnarr, Georg Friedrich, Vincenz Wizlsperger, Johanna Orsini-Rosenberg
Kamera: Doris Kittler, no such
Schnitt: Doris Kittler, AnnA
Originalton: Walther Soyka
Musik: Otto Lechner, Natasa Mirkovic-De Ro, Matthias Loibner, Art Denisson
Produzent:innen: Sebastian J. F.
Produktion: Cronos Film
2007 tobt im Augarten der heftige Protest einer Bürgerinitiative gegen die Errichtung eines Konzertsaals für die Wiener Sängerknaben. Das „Josephinische Erlustigungskomitee“ stellt sich in barocken Kostümen mit Widerstandshühnern und Vertreibungsenten den Baggern und Bauherren entgegen. Doris Kittlers Film begleitet die Aktivist/innen bei ihrem kreativen Widerstand gegen das Projekt zur Rettung eines Stücks gemeinsamen Lebensraums.
www.auf-den-barockaden.at , www.cronos.at
Katalogtext Diagonale 2015:
Der Augarten im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Die Sonne
geht auf über dem Park, Jogger/innen ziehen ihre Runden durch
die grünen Alleen. Doch die Idylle trügt. In einem Winkel des
Barockgartens soll eine Konzerthalle für die Wiener Sängerknaben
errichtet werden. Die örtliche Politik ist sich bereits mit
einem privaten Investor einig, das 12-Millionen-Euro-Projekt
soll in die erste Bauphase gehen. Schnell formiert sich ein
Bürger/innen-Protest gegen den futuristischen Gebäudekomplex
aus Stahlbeton und Glas auf einem Stück öffentlichem
Raum, das unter Natur- und Denkmalschutz steht. Als die
Appelle kein Gehör bei der Stadtregierung finden, besetzen die
Demonstrant/innen das Areal am Augartenspitz. „Na ja, warme
Socken stricken“, sagt Initiatorin Raja Schwahn-Reichmann
und erklärt sich zu allen Agitationen bereit. Ihrer anarchistischen
Überzeugung folgend gründet sie das „Josephinische
Erlustigungskomitee“, eine Referenz auf Joseph II., der den
ursprünglich dem Hofadel vorbehaltenen Park 1775 für die
Allgemeinheit öffnen ließ. In barocken Gewändern schicken
sich die Aktivist/innen an, in „einen festlichen Widerstand
durch positives Verhalten, durch die Erlustigung“ zu treten.
Doris Kittler begleitete die Demonstrant/innen von den Anfängen
des Protests bis zur endgültigen Räumung des Geländes und dokumentierte die Aktivitäten der Gegenbewegung in ihrer
kreativen Opposition. Feuchtfröhliche Picknicks, Dachreiten
auf dem Pförtnerhäuschen, Widerstandshühner und Sängerknaben-vertreibungsenten
stehen für den zivilen Ungehorsam
gegen das rüde Vorgehen einer Security-Firma unter den Augen
der Polizeibeamt/innen. Auf den Barockaden behandelt Fragen
des öffentlichen Eigentums und der Machtverhältnisse zwischen
Bürger/innen und politischem Establishment: ein Kampf
gegen Windmühlen, geführt mit gewitztem Aktionismus. (mh)
Die Idee zum Film entstand einerseits aus meinem Interesse an gesellschaftspolitischen Prozessen in meiner Umgebung, andererseits an einer außergewöhnlichen Figur des Wiener Lebens, Raja Schwahn-Reichmann. Schon vor diesem Protest habe ich mich für Formen des kreativen Widerstands interessiert, denn ich war müde von den immer gleich gestalteten Demos, deren meist harte und negativ formulierte Ästhetik mir in ihrer Strategie falsch erschien. (Doris Kittler, Die Presse-Interview)