Der letzte Tanz
Spielfilm, AT 2013, Farbe+SW, 96 min.
Diagonale 2014
Regie: Houchang Allahyari
Buch: Houchang Allahyari, Daniel Kundi, August Staudenmayer, Tom-Dariusch Allahyari
Darsteller:innen: Erni Mangold, Daniel Sträßer, Marion Mitterhammer, Viktor Gernot, Doina Weber, Janina Schauer u.a.
Kamera: Peter Roehsler
Schnitt: Michaela Müllner, Charlotte Müllner
Originalton: Bruno Pisek
Musik: Erdem Tunakan
Sounddesign: Eckart Goebel
Szenenbild: Desiree Salvador
Kostüm: Silvia Pernegger
Produzent:innen: Houchang Allahyari
Produktion: Allahyari Filmproduktion
Großer Diagonale-Preis 2014
Bester österreichischer Spielfilm
Diagonale-Schauspielpreis 2014
Erni Mangold
Eine Annäherung, die nicht sein darf – ein vermeintlicher Tabubruch, der in staatlich exekutierter Repression mündet. Während Karl im Privaten eine Liaison mit seiner Schulliebe beginnt, entwickelt er zeitgleich im Zivildienst eine innige Beziehung zu einer betagten Alzheimerpatientin. Geteilt in zwei formal diverse Abschnitte, verdichtet Der letzte Tanz unterschiedliche Perspektiven auf Zwischenmenschlichkeit, bis die Realität an der gesellschaftlichen Ablehnung zerbricht.
Filmgespräch mit: Houchang Allahyari und Erni Mangold (am 21.3.)
Katalogtext Diagonale 2014:
Ein Frühstück mit der Mutter, eine vorerst letzte Zigarette in
Freiheit. Mit dem Ertönen der Türklingel endet für Karl ein
Lebensabschnitt und beginnt ein Kapitel der Rechtfertigung für
eine vermeintliche Straftat, die Houchang Allahyari zunächst
unausgesprochen lässt. Im Schwarz-Weiß des Filmbilds wird
der Junge von polizeilicher Repression – möglicherweise von
Willkür – erdrückt. „Ich gehör hier nicht her“, fährt es aus ihm
heraus, als die schweren Zellentüren hinter ihm ins Schloss
fallen. Allahyari konfrontiert seinen Protagonisten mit einem
Rechtssystem, in dem der Schuldspruch bereits vor der
Verhandlung gesprochen wurde. Ein System, das er auch
perspektivisch als übermächtig inszeniert.
An diesem Punkt kommt es zum formalen Bruch, geht
Der letzte Tanz zurück in die nahe Vergangenheit. Das düstere
Schwarz-Weiß weicht der Farbe, Karl ist noch nicht Vorverurteilter,
sondern Zivildiener in der geriatrischen Abteilung eines
Krankenhauses. Auch hier ist der Alltag gesäumt von Hierarchien
– von der regimentführenden Oberschwester bis hinab
zu den Patient/innen –, doch Karl kann sich mit dieser Hackordnung
arrangieren.
Während er im Privaten eine Liaison mit seiner Schulliebe
beginnt, entwickelt er in der Arbeit eine innige Beziehung zu
einer betagten Alzheimerpatientin (Erni Mangold), die durch seine empathische Fürsorge zu neuer Jugend erwacht.
„Die schert sich um gar nichts, die Geier-Wally“, liest ihr
Karl aus dem gleichnamigen Roman vor. „Die schert sich um
gar nichts, die Eckert“, könnte es angesichts der koketten
Unangepasstheit
seiner Patientin genauso gut heißen. Um
gar nichts außer um ein wenig Zuwendung – und einen
jungen Pfleger, der neu ist auf der Station und so anders im
Vergleich zu den übrigen „Giftmischern“.
In zärtlichen, niemals bloßstellenden Bildern verdichtet
Houchang Allahyari verschiedene Perspektiven auf Zwischenmenschlichkeit
und erzählt von einer Liebe, die in der Gesellschaft
so nicht vorgesehen ist. Und von den Mechanismen,
die sich unter dem Deckmantel der Rechtschaffenheit in Gang
setzen, sobald ein Tabu die Konvention gesellschaftlicher Norm
herauszufordern wagt.(red)