Über-Ich und Du
Spielfilm, DE/CH/AT 2014, Farbe, 94 min., OmeU
Diagonale 2014
Regie: Benjamin Heisenberg
Buch: Benjamin Heisenberg, Josef Lechner
Darsteller:innen: André Wilms, Georg Friedrich, Bettina Stucky, Susanne Wolff, Elisabeth Orth, Maria Hofstätter, Markus Schleinzer u.a.
Kamera: Reinhold Vorschneider
Schnitt: Stefan Kälin, Andreas Wodraschke
Originalton: Laurent Barbey
Musik: Lorenz Dangel
Sounddesign: Noemi Hampel
Szenenbild: Renate Schmaderer
Kostüm: Stephanie Rieß
Produzent:innen: Janine Jackowski, Jonas Dornbach, Maren Ade, Ruth Waldburger, Franz Novotny, Alexander Glehr, Peter Heilrath
Produktion: Komplizen Film
Koproduktion: Vega Film, Novotny & Novotny Filmproduktion, Peter Heilrath Filmproduktion
Der Zufall führt den verschuldeten Kleinganoven Nick ins Haus eines hochbetagten Starpsychologen. Während der Alte an einem Vortrag über die eigene NS-Vergangenheit bastelt, macht Nick dessen Büchersammlung zu Geld und verkommt unbemerkt zum Forschungsobjekt. Zunehmend transzendiert Benjamin Heisenberg die klassische Komödienstruktur zugunsten des Kafkaesken – psychologischer Rollentausch inklusive. Ein Double-Trouble-Buddy-Movie der eigenen Art. Abgründig, hintersinnig und voller Witz.
www.thimfilm.atAm 19.3. Filmgespräch mit: Benjamin Heisenberg
Katalogtext Diagonale 2014:
Nicks Anrufbeantworter läuft heiß: Mit Schulden macht man
sich keine Freund/innen. Im Gegenteil. So ist Nick (Georg
Friedrich als proletarischer Filou im Jeans-Outfit) also damit
beschäftigt, kürzerzutreten – oder unterzutauchen, je nachdem.
Der Zufall führt ihn ins Haus eines hochbetagten Starpsychologen
mit NS-Vergangenheit, in dem er – ebenfalls durch die
Gunst des Zufalls – als dessen „Pfleger“ eine Bleibe vulgo ein
nicht unkomfortables Versteck vorfindet.
Praktischerweise gibt es im High-Class-Unterschlupf auch
gleich ausreichend Nachschub für Nicks halblegale Geschäfte:
Zwecks Schuldenabzahlung bei „Mutter“, einer zwielichtigen
Unterweltchefin (Maria Hofstätter: einfach großartig) vertickt
der Kleinstgauner antiquarische Bücher. Ein ungewöhnlicher
Film bedarf ungewöhnlicher Professionen.
Auch sonst hat sich Benjamin Heisenberg mit Über-Ich und Du
weit abseits des Gewöhnlichen niedergelassen: Die klassische
Komödienstruktur beginnt sich mit Fortdauer des Films
beständig zu zersetzen und nimmt bisweilen kafkaeske Züge an.
Mir nichts, dir nichts werden da physische Ticks und Gebrechen
vermittels psychologischer Einfühlung – „Nazi-Voodoo“ –
zwischen den Protagonisten transferiert oder dramaturgische Nebenschauplätze zugunsten subtil-absurder Details in die
Geschichte eingebettet.
Während das ungleiche Paar im Prozess aufkeimender
Freundschaft Schuldfragen von kindlichem Kaugummiklau
bis zu wissenschaftlichem Ausverkauf an totalitäre Systeme
diskutiert, schwadroniert im Hintergrund ein dauerneurotischer
Markus Schleinzer als köstlich biederer Familienvater (keiner
trägt die Hosen höher). Dazu legt sich von Kontrabass getragener
Jazzflow über das Filmbild, um mit der alpinen Landschaftsidylle
zugunsten einer artifiziellen Internationalität zu brechen.
Ein Film im Zustand permanenter Verfolgung: von (unaufgearbeiteter)
Vergangenheit, dubiosen Unterweltknochenbrechern
und einer Familie im Fürsorgeübereifer. Und letztlich eine
therapeutische Achterbahnfahrt mit freundschaftlichen Ups
und selbstbereichernden Downs. (red)
Nach seiner psychologisch-kriminalistischen Studie Der Räuber präsentiert Benjamin Heisenberg ein eigenwilliges Buddy- Movie, das zwischen Slapstick, Ironie und tieferer Bedeutung balanciert und mit Witz und groteskem Hintersinn aufwartet. (Berlinale)