Crash Test Dummies
Spielfilm, AT/DE 2005, Farbe, 93 min., OmeU
Diagonale 2016
Regie: Jörg Kalt
Buch: Jörg Kalt; Idee: Antonin Svoboda
Darsteller:innen: Maria Popistasu, Bogdan Dumitrache, Simon Schwarz, Kathrin Resetarits, Viviane Bartsch, Ursula Strauss, Barbara Albert, Stipe Erceg
Kamera: Eva Testor
Schnitt: Emily Artmann
Originalton: Andreas Kopriva, Bernhard Weirather
Musik: Bernhard Fleischmann
Szenenbild: Veronika Merlin
Kostüm: Veronika Albert
Weitere Credits: Aufnahmeleitung: Zepp Berensmeier, Produktionsleitung: Gabriella Reisinger
Produzent:innen: Gabriele Kranzelbinder, Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Herbert Schwering, Christine Kiauk
Produktion: Amour Fou Filmproduktion
Koproduktion: COIN FILM (vormals ICON FILM)
Ein rumänisches Pärchen strandet
ohne Geld in Wien. Ihre Wege
trennen sich, kreuzen sich mit denen
von Einheimischen und führen sie
schließlich unter neuen Vorzeichen
wieder zusammen. Es geht um unkontrollierte
Zufälle und kontrollierte
Unfälle, um das Herz der Tragik und
den Schmerz der Komik, um die
Liebe und, nicht zuletzt, um Kühe.
Eröffnungsfilm der Diagonale’05.
Bei Crash Tests, in denen Menschen statt
Dummies eingesetzt werden, geht es weniger um
Geschwindigkeit als um Beschleunigung. Die Testpersonen
werden mit der vierfachen Erdanziehungskraft,
also 4 G, auf nur zehn Stundenkilometer
beschleunigt. In Crash Test Dummies geht es ebenso
um hohe Beschleunigung und niedrige Geschwindigkeit.
Die Rumän/innen Ana und Nicolae erreichen
Wien mit einer hohen Bewegungsenergie, werden
hier abrupt abgestoppt und geben diese Energie
weiter, bewegen andere Menschen, auf die sie stoßen.
Wie lebt man sein Leben, und wo lebt man sein
Leben, tut man etwas und steht auf oder bleibt man
sitzen? Beobachtet man oder greift man ein, bewegt
man oder wird man bewegt? Es geht um unkontrollierte
Zufälle und kontrollierte Unfälle, um das Herz
der Tragik und den Schmerz der Komik, um die Liebe
und, nicht zuletzt, um Kühe.
(Jörg Kalt, Katalog Diagonale’05)
Den ganzen Film über suchen Menschen im
Niemandsland einer anonymisierten Umgebung
mit wechselndem Erfolg Adressen, Treffpunkte und
Kontakte; sie verpassen und treffen sich und rennen
immer wieder gegen Widerstände an: Crash Test
Dummies eben.
Wien kommt in diesem Film anders vor als sonst.
Das touristische Interesse fehlt, also sind nur Orte
wichtig, die für Reisende, die mit dem Bus kommen,
die erste Begegnung mit der Stadt markieren. Bahnhof
Wien Mitte: Hier sieht es aus wie überall auf der
Welt, wo es in einem relativ desolaten Ambiente die
Kombination von Supermarkt, Reisebüro und Coffeeshops
gibt. überhaupt geht der Blick immer hin und
her – auch im Vergleich mit dem jeweiligen Zuhause.
Die neue „Freiheit“ provoziert Fragen. Wo fühlst
du dich zugehörig? Wie eignet man sich Territorien
an? Durch Sprache? Durch Zuneigung? Neben den
zu erwartenden Abweisungen und übergriffen gibt
es auch viele eher beiläufige Gesten von Freundlichkeit:
Minikosmen der gegenseitigen Unterstützung
scheinen ein mögliches Auffangnetz bei gescheiterten
Testserien. Aber das Zusammenkommen ist
schwierig.
Zum Schluss gibt es sogar ein Feuerwerk zur
EU-Erweiterung 2004, denn Crash Test Dummies
ist auch ein aktueller europäischer Film. Zeitraum:
ein paar Tage bevor die EU 2004 um zehn Mitgliedsstaaten
erweitert wurde. Ort der Handlung: die Straßen
Richtung Westen (von Rumänien aus) und Wien.
Bei der dann doch erfolgreichen Wieder-Einreise in
den ehemaligen Osten blockiert eine Kuh die Straße
über die Grenze, ihre nationale Zugehörigkeit bleibt
ungeklärt.
(Birgit Flos, Katalog Diagonale’05)
Wir (AMOUR FOU) waren erstmals federführende
Produzent/innen, und es war der erste Film, der
mit einem vernünftigen Budget ausgestattet war,
das von allen drei Förderinstitutionen, ÖFI, FFW
und ORF, zur gleichen Zeit getragen wurde. Darüber
hinaus gab es schon auch eine kleine ausländische
Beteiligung. Das Projekt war von Anfang an als
Koproduktion angedacht. (…) Mich hat das Buch von
Crash Test Dummies überzeugt, seine unkonventionelle
Machart. Ich mochte die Verschachtelung
mehrerer Geschichten und wollte schon lange mal
einen Ensemblefilm machen. Dieser trockene, skurrile
Humor hat mich auch sehr angesprochen. Jedes
Mal, wenn ich den Film anschaue, und das war auch
schon beim Buch so, muss ich herzlich lachen. Das
passiert eh selten genug.
(Gabriele Kranzelbinder, AFC-Interview)
Jörg Kalt (1967–2007) ist mit
seinem Film Shops Around the Corner
(fertiggestellt von Nina Kusturica) im
Wettbewerbsprogramm der
Diagonale’16 vertreten.