Diagonale
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Maikäfer flieg
Spielfilm, AT 2016, Farbe, 109 min., OmdU
Diagonale 2016

Regie: Mirjam Unger
Buch: Sandra Bohle, Mirjam Unger (nach dem gleichnamigen Roman von Christine Nöstlinger)
Darsteller:innen: Zita Gaier, Ursula Strauss, Gerald Votava, Konstantin Khabensky, Krista Stadler, Heinz Marecek
Kamera: Eva Testor
Schnitt: Niki Mossböck
Originalton: Didi Zuson
Musik: Eva Jantschitsch
Sounddesign: Thomas Pötz
Szenenbild: Katharina Wöppermann
Kostüm: Caterina Czepek
Weitere Credits: Herstellungsleitung: Marie Tappero Produktionsleitung: Stephanie Wagner
Produzent:innen: Gabriele Kranzelbinder
Produktion: KGP Kranzelbinder Gabriele Production

 

Diagonale-Schauspielpreis 2016
Ursula Strauss


Das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Zeit der russischen Besatzung, gesehen mit den Augen der neunjährigen Christine. Ausgebombt und mittellos kommt sie mit ihrer Familie in einer noblen Nazi-Villa in Neuwaldegg unter. Nach der Kapitulation der deutschen Soldaten quartieren sich die Russen im Haus ein. Alle fürchten sich vor den als unberechenbar geltenden russischen Soldaten. Nur Christine nicht. (Produktionsnotiz)

Gegen Ende des Films rattert die kleine Christine am Gartenzaun der Nachbar/innen entlang. Dabei singt sie das Lied vom Maikäfer, der fliegen soll, denn der Vater ist im Krieg, die Mutter im Pulverland, und Pulverland ist abgebrannt. Dieses Mal allerdings singt Christl auf Russisch, nicht auf Deutsch. Es ist dies weniger ein Zeichen ihrer berüchtigten Widerborstigkeit als vielmehr der Beweis eines langen Reifungsprozesses, eines grundsätzlichen Friedenspakts mit sich selbst – und mit den Menschen dieser Welt. Die russischen Besatzer sind gerade abgezogen, und Christl und ihre Familie werden schon bald diese Villa in Neuwaldegg verlassen, in der sie Unterschlupf gefunden haben. Regisseurin Mirjam Unger behält in ihrer Adaption des autobiografischen Romans „Maikäfer, flieg! Mein Vater, das Kriegsende, Cohn und ich“ von Christine Nöstlinger sowohl die inhaltliche Struktur als auch die Perspektive der neunjährigen Christine bei. Derart kann auch sie permanent zwischen Tragik und Komik changieren, ohne dabei das eine oder andere zu forcieren. Christines Beobachtungen sind flink, humorig und in ihrer trotzigen Naivität sehr weitsichtig. So muss Krieg gewesen sein, so lapidar im Alltag, so stechend im Bauch, so lustig, weil man den Teller ablecken durfte, ohne geschimpft zu werden, falls es einmal doch etwas Gutes zu essen gab. In der scheinbaren Beiläufigkeit finden Unger und Kamerafrau Eva Testor zu großer Kraft und erfassen pointiert die grundlegenden Themen der Vorlage. Als Christines Vater nach langer Zeit in der Wehrmacht vor der Tür steht, ist ihr klar: Er ist desertiert. Und sie weiß, dass ihr gerade ein unverhoffter Moment Familienglücks vergönnt ist, wie er nur durch eine klare moralische Entscheidung herbeigeführt werden konnte. „Die Wochen aus ,Maikäfer, flieg‘, die Wochen im Sommer 1945, als alles in Schutt und Asche lag, waren die aufregendsten und spannendsten und vielleicht sogar schönsten Wochen meiner Kindheit“, sagte Christine Nöstlinger einmal. Der maulwurfblinde „Russe“ Cohn, den sie jeden Tag in seiner Feldküche besuchte, war ihr dabei ein willkommenes Werkzeug, um das allgemeine pädagogische Dilemma der Kindererziehung in jener Zeit des Umbruchs und des Wertewandels mit sturer Menschenliebe zu unterwandern.
(Katalogtext, az)

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