Diagonale
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Semmelweis – Retter der Mütter
DDR 1950, Schwarzweiß, 98 min.
Diagonale 2016

Regie: Georg C. Klaren
Buch: Alexander Stenbock-Fermor, Joachim Barckhausen
Darsteller:innen: Karl Paryla, Käthe Braun, Angelika Hauff, Herbert Hübner, Eduard von Winterstein, Camilla Spira
Kamera: Eugen Klagemann
Schnitt: Lena Neumann
Originalton: Adolf Jansen
Musik: Herbert Trantow
Szenenbild: Emil Hasler
Kostüm: Walter Schulze-Mittendorff
Weitere Credits: Dramaturgie: Marieluise Steinhauer
Produktion: DEFA – Herstellungsgruppe Kurt Hahne

 

Karl Paryla brilliert in diesem Drama um Ignaz Philipp Semmelweis, den Arzt am Wiener Allgemeinen Krankenhaus, der als „Retter der Mütter“ in die Geschichte der modernen Medizin einging. Semmelweis – Retter der Mütter ist kein gewöhnliches Biopic, sondern ein hochinteressanter Versuch, den wissenschaftlichen und den politischen Fortschritt im Revolutionsjahr 1848 in eins zu setzen.

Erstens: Hände drei Minuten lang waschen, zweitens: Hände drei Minuten lang bürsten, und drittens: Hände drei Minuten lang mit Chlorkalk einreiben. 1847 führte Ignaz Philipp Semmelweis (1818–1865), ein Arzt aus Ungarn am Allgemeinen Krankenhaus in Wien, diese neuen Hygienevorschriften ein. Die Sterblichkeitsrate von Wöchnerinnen an Europas größter Klinik betrug damals bis zu dreißig Prozent. Semmelweis hatte erkannt, dass weder atmosphärisch-kosmisch-tellurische Einflüsse noch der berüchtigte Milchstau für das grassierende Kindbettfieber verantwortlich waren, sondern mangelnde Sauberkeit. Hebammen und Ärzte, so heißt es im Film, dürften ihren Dienst fortan nur „mit reinen Händen und reinem Herzen“ verrichten.
Semmelweis – Retter der Mütter ist kein gewöhnliches Biopic, sondern ein hochinteressanter Versuch, den wissenschaftlichen und den politischen Fortschritt in eins zu setzen. Parallel zu Semmelweis’ erbittertem Kampf gegen Kollegen, die ihre Augen vor der „neuen Wahrheit“ verschließen, erzählt der Film die Märzrevolution von 1848 mit, die hier nicht zuletzt von Studenten der medizinischen Fakultät getragen wird. Während im Storchenkeller bereits Spottlieder auf Metternich angestimmt werden und man allerorten schon die Republik hochleben lässt, wird ein Vortrag des Arztes von der Polizei untersagt. Denkwürdige Begründung: „Aufklärung ist Aufwiegelung.“
Durchaus typisch hingegen ist die Entstehungsgeschichte des Films, genauer gesagt: dass dieser Wiener Stoff schließlich bei der DEFA realisiert wurde. Ursprünglich hatte Georg C. Klaren, zuletzt als Regisseur des Tiroler Schmugglerdramas <Ruf aus dem Äther (1949) für G. W. Pabsts neu gegründete Produktionsfirma in Erscheinung getreten, diesen Stoff für die Pabst-Kiba-Film entwickelt. Als diese jedoch in finanzielle Schieflage geriet, versuchte der gebürtige Österreicher Klaren sein Glück erneut bei der DEFA, wo er zuvor als Chefdramaturg tätig gewesen war.
„Kräftig und gefühlsbetont“, attestierte die zeitgenössische Kritik seiner Semmelweis-Inszenierung, außerdem „starke, expressive Licht- und Schatten- Bilder“. Herbert Ihering sagte dem Werk in der „Berliner Zeitung“ einen „stürmischen Erfolg“ voraus, der sich in beiderlei Deutschland durchsetzen werde. Einziger Kritikpunkt waren die immer noch altgewohnten Gegenspieler des außergewöhnlichen Helden: „Intriganten, Schleicher auf Gummisohlen, Augen werfende Hinterrückser, grimassierende Bösewichter, statt dass es in enge Anschauungen verkapselte Rückwärtser sind. Menschen, die aus ihrer Haut und ihrer Klasse nicht herauskönnen.“
Gemessen an diesen Kulissenintriganten gewinnt die Gestaltung des Titelhelden durch Karl Paryla noch zusätzlich. Diese wurde einhellig gelobt, wobei Ihering auch den Hintergrund des Charakterdarstellers aus Wien ins Treffen führte: „Paryla, der als Semmelweis mit allem Nuancenreichtum, aller Farbigkeit und allem Temperament der österreichischen Schauspielkunst doch nie theatralisch wirkt und keine Szene überzieht.“ Großartig etwa der Moment, in dem der Arzt seinem Unmut über Sparmaßnahmen in seiner Abteilung Luft macht und seinem Vorgesetzten Cibulka ein benutztes Wäschestück unter die Nase reibt – verbunden mit der sehr wienerischen Aufforderung: „Riech, Herr Hofrat!“
(Michael Omasta)

In Kooperation mit der DEFA-Stiftung

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