Safari
Dokumentarfilm, AT 2016, Farbe, 90 min., OmeU
Diagonale 2017
Regie: Ulrich Seidl
Buch: Konzept: Ulrich Seidl, Veronika Franz
Darsteller:innen: Gerald Eichinger, Eva Hofmann, Manuel Eichinger, Tina Hofmann, Manfred Ellinger, Ingrid Ellinger, Marita Neemann, Volker Neemann, Markolf Schmidt, Eric Müller
Kamera: Wolfgang Thaler
Schnitt: Christof Schertenleib
Originalton: Paul Oberle
Sounddesign: Matz Müller, Erik Mischijew
Produzent:innen: Ulrich Seidl, Koproduzentin: Sigrid Jonsson Dyekjaer
Produktion: Ulrich Seidl Filmproduktion
Koproduktion: Danish Documentary
Ulrich Seidl zeigt Menschen, die in Afrika Urlaub machen, um dort Tiere zu erlegen. Impalas, Zebras, Giraffen – sie alle haben einen festgelegten Tötungspreis. Zwischen streng kadrierten Bildern von Tourist/innen und mit der Handkamera gefilmten Jagdszenen entfaltet sich eine Studie über das Jagen als Trieb und als Hobby: ein Urlaubsfilm über das Töten, der die Abgründe menschlicher Natur preisgibt.
Ein Schuss zerfetzt die Stille – das mit der Handkamera gefilmte Bild wackelt kurz, visualisiert die Anspannung und den darauf folgenden Adrenalinstoß der Jäger/innen. Über die Szene legt sich das Surren der Steppe, die flirrende Luft, wir befinden uns auf der Pirsch. Ulrich Seidls neuester Film beschäftigt sich mit Jagdtourismus in Afrika, mit Deutschen und Österreicher/innen, die in den Urlaub fahren, um Tiere zu töten, oder wie sie es nennen: um „reife Stücke“ zu „erlegen“. Der verharmlosende Jägerjargon der Protagonist/innen schafft Distanz zu den getöteten Lebewesen. Was Wolfgang Thalers Bilder jedoch ausstellen, sind ebenjene Emotionen, die das Pirschen und Erlegen begleiten: die Anspannung und die Nervosität des Auflauerns, das Bemühen um den perfekt gesetzten Schuss, die Erleichterung beim Anblick des gefallenen Tieres, der Stolz beim Posieren mit der erlegten Beute vor der Kamera.
So präzis wie die Hobbyjäger/innen ihre Trophäenfotos arrangieren, inszeniert Seidl seine Protagonist/innen – u. a. eine vierköpfige Familie, die die gemeinsame Jagd als Tradition zelebriert, und die deutschen Betreiber/innen einer Jagdfarm. Vor von Symmetrie beherrschten und mit ausgestopftem Wild dekorierten Hintergründen liefern sie Rechtfertigungen, die mitunter ins vermeintlich Philosophische abdriften – immerhin geht es hier ja um Leben und Tod, und um „Erlösung“. Kontrastierend dazu die afrikanischen Jagdhelfer, deren stumme und wissende Blicke tiefer ins Fleisch schneiden als die blutigen Szenen der Tierzerstückelung.
Die streng formalisierten Tableaus weisen jegliche moralische Wertung zurück, dennoch exponiert Seidls sezierender Blick auf die Jäger/innen, die wie Tiere in der Sonne baden oder schnarchend im Hochsitz dösen, die Hybris des Europäers und das pervertierte Machtverhältnis zwischen Mensch und Tier.
(Katalogtext, cw)
Mit Safari wollte ich nicht die Reichen, die Adeligen, die Scheichs und Oligarchen bei ihrer Großwildjagd zeigen, sondern das Normale und Alltägliche. (…) Dabei war es meine Intention, die Beweggründe des Jagens und die Besessenheit daran herauszufinden und darzustellen. Somit ist der Film auch ein Film über das Töten geworden. Über das Töten als Lust, ohne sich selbst dabei in Gefahr zu begeben, über das Töten als eine Art emotionale Befreiung.
(Ulrich Seidl)
In Referenz
In der Reihe „In Referenz“ und anlässlich der HOANZL DVD-Box zum Gesamtwerk von Ulrich Seidl zeigt die Diagonale’17 Der Busenfreund und Bilder einer Ausstellung erstmals im Kino.