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Slidin‘ – Alles bunt und wunderbar
Spielfilm, AT 1998, Farbe, 97 min., OmeU
Diagonale 2017

Regie: Barbara Albert, Michael Grimm, Reinhard Jud
Buch: Barbara Albert, Michael Grimm, Reinhard Jud
Darsteller:innen: Maria Kastner, Martina Pöttl, Georg Friedrich, Markus Zeindlinger
Kamera: Wolfgang Lehner
Schnitt: Karina Ressler
Musik: Kim Pil Jung
Produktion: Novotny & Novotny Filmproduktion GmbH

 

Drei filmische „Mondscheinsonaten“: Barbara Albert, Michael Grimm und Reinhard Jud inszenieren in sich latent kreuzenden Episoden Geschichten von Reisen in die Nacht und vom Erwachen am nächsten Tag. Pop ist gerade Techno, und die Neonfarben sind versifft, abgetragen, verblichen. Ein rastloses, bisweilen auch düsteres Porträt des Nachtlebens zwischen Wien und seiner Peripherie, in dem wenig übrig bleibt vom Versprechen, das die Stadt, die Nacht, die Musik einmal gegeben haben.

Erzählungen vom „Slidin’“ – vom (Aus-)Rutschen und (Hinüber-)Gleiten durch die Nacht, einer Art Subkategorie des Driftens also, genauso ziellos, aber verstärkt um die Suche nach dem Kick: Der findet sich in den Schaufenstern von Geschäften, auf den Dancefloors der Clubs oder im kalten Auto auf Drogen bei lauter Technomusik auf dem Weg zum Rave.
Der Film nimmt diesen Rausch auf und inszeniert die Stadt und die Nacht als Gelegenheiten für Identitätsspiele, für Verschiebungen und Neuauslegungen des Selbst, die in den Neonlights, Lichtarchitekturen und Stroboskopen fast als echt durchgehen. Bei jedem Gespräch sind die beiden jungen Protagonistinnen aus Barbara Alberts Episode jemand anderer; Namen, Alter, Abendplanung – nichts ist konstant. Überall wird konsumiert, die Freunde und Bekannten trifft man in Pizzaketten, Klamottenläden, Drogerien, Clubs, und da alles öffentlich ist, ist man permanent gefordert. Was diese und die folgenden Episoden von Slidin’ – Alles bunt und wunderbar zu einem so interessanten Werk macht, ist das Hervorkitzeln der dunklen Seite in all dem Party-, Spiel- und Oberflächenwahn der Popkultur. In den düstersten Momenten mündet dies in eine Vergewaltigung, die mit Coolness weggespielt wird; in den schönsten, bittersüß, gleitet ein junges Liebespaar auf Zeit mit dem Motorrad durch die kalte Wiener Nacht, umhüllt von traurigen Engelschören. Dann ist Slidin’ – Alles bunt und wunderbar schon selbst wieder Pop, der Musik erlegen, in klaren, lesbaren Bildern. Jenseits dieser Momente werden aber auch die Strukturen der Jugendkultur sichtbar, vor allem die Rolle von Frauen als Projektionsfiguren, ihr Spiel in der Nacht, auf der Bühne, unter Beobachtung. Diese stehen in zwei der drei Episoden im Mittelpunkt, wobei in beiden der Körper durchgehend thematisiert und auf die Probe gestellt wird; beim Essen, beim Klamotten-Kaufen, Schminke-Klauen und Tanzen.
Slidin’ – Alles bunt und wunderbar ist ein exzessiver, rastloser Film, aber doch auch dreckig und träge. Die Stadt, zwei Jahre vor der schwarz-blauen Regierung, hat sich in die Orte der Jugendkultur eingeschrieben. Die Atmosphäre ist tendenziell aggressiv, man feiert nicht miteinander, sondern gegeneinander, so scheint es. Die grellen, ins Neon übergehenden Farben der 1990er-Jahre sind versifft, schäbig, abgegriffen. Je dunkler es im Film wird, desto mehr entsteht tatsächliche Ruhe. Diese Nachtfalter, die unentwegt den Lichtern nachhetzen, finden sie in der Dunkelheit, körperlichen Nähe, im Stillstand. Slidin’ – Alles bunt und wunderbar ist am Ende ein Abgesang auf den Pop, den Lärm, das Grelle, Zeichenhafte. Wenn die Figuren müde ihre Augen schließen, wenn sie alleine durch die Nacht fahren, um ein Abschleppseil aufzutreiben, wenn sie erschöpft und ausgebrannt aufgeben, ist da nichts von den Versprechen und der Freiheit, die Stadt, Nacht, Musik einmal verheißen haben.
(Katalogtext, Alejandro Bachmann)

This is not America – Austrian Drifters
Suchbewegungen zwischen Film und Pop (1976–2014)
Sehnsuchtsort Amerika? Ausgehend von jenem Moment, in dem mit der Besetzung der Wiener Arena im Sommer 1976 Pop, Film und politische Haltung in besonderer Weise näher zusammenrückten, untersucht das sechsteilige Programm des Österreichischen Filmmuseums das Ineinander(-Wirken) von Pop und Film: Die Figur des Drifters steht dabei im Zentrum der Überlegung, wie Popkultur in Filmen sichtbar wird, was an Pop grundlegend filmisch sein könnte und wie sich Pop und Film gegenseitig infizieren. Eine sehenswerte Zusammenschau aus Pop, Punk und jeder Menge Pomp – von Dokumentation bis Fiktion, von Experimentalfilm bis Musikvideo, von Österreich bis Amerika.

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