Back to the Fatherland
Dokumentarfilm, AT 2017, Farbe, 75 min., OmdU
Diagonale 2018
Regie: Kat Rohrer, Gil Levanon
Buch: Anneliese Rohrer, Susan Korda
Kamera: Thomas Marschall
Schnitt: Georg Eggenfellner
Musik: Tao Zervas
Sounddesign: Andreas Pils
Produzent:innen: Katharina Rohrer, Matthias Kress, Gil Levanon
Produktion: GreenKat Productions
Gil Levanon und Kat Rohrer spüren
der Frage nach, was es für Holocaust-
Überlebende in Israel wohl
bedeuten mag, wenn die Enkelkinder
zurück nach Deutschland
oder Österreich ziehen, und welch
zwiespältige Gefühle dieser Schritt auf allen Seiten hervorruft. Back to
the Fatherland ist filmisches Ergründen.
Ein Zusammenbringen von
Stimmen für die Beziehungsarbeit
mit dem Jetzt, in das die Vergangenheit
eingeschrieben ist.
Als Gil ihrem Großvater Yochanan vorsichtig zu
erklären versucht, sie wolle nach Deutschland ziehen,
antwortet dieser vehement und mit eiserner Miene:
„Nein. Auf keinen Fall.“ Die beiden Filmemacherinnen
Kat Rohrer und Gil Levanon kennen sich seit
Collegezeiten
aus New York. Gil kommt aus Israel,
Kat ist Österreicherin. Der Großvater der einen überlebte
den Holocaust, der Großvater der anderen war
ein Nazioffizier. In ihrem gemeinsamen Dokumentarfilm
spüren die beiden Frauen der Frage nach, was es
für Holocaust-Überlebende in Israel wohl bedeuten
mag, wenn die Enkelkinder zurück nach Deutschland
oder Österreich ziehen, und welch zwiespältige
Gefühle dieser Schritt bei der dritten Generation
selbst hervorruft.
In ihrer filmischen Suchbewegung, die von Tel
Aviv nach Berlin, Salzburg und Wien führt, treffen
und begleiten Rohrer und Levanon noch weitere
Paarungen: Guy lebt in Salzburg, Großvater Uri wurde
als Jugendlicher von Wien nach Theresienstadt
verschleppt. „Ich habe sehr, sehr schöne Erinnerungen
an Österreich. Bis der Homo sapiens aus
Braunau gekommen ist.“ Die Entscheidung seines
Enkels betrachtet er pragmatisch: Zu schwierig ist
die politische wie die ökonomische Lage in Israel.
Dan wiederum hat sein Zuhause in Berlin gefunden.
Nach Israel reist er nur, um seine Großmutter Lea zu
besuchen. Mit ihr verbinden ihn die Liebe zur Kunst
und das Gefühl, nirgends richtig reinzupassen. Auch
sie lebte während des Nationalsozialismus in Wien –
ein Kapitel, das die Familie selten aufklappen will.
Für ihre Enkel reisen Lea und Uri zurück in die Stadt,
zurück zu den Spuren der grausamen Vergangenheit.
Unweigerlich kehren Erinnerungen wieder. Solche,
mit denen zu rechnen war, und solche, die sich ihren
Weg unerwartet bahnen.
Sensibel begleitet der Film Enkelkinder und
Großeltern
bei diesen Annäherungen und gibt den
Prozessen, die in ihrer Vielschichtigkeit nicht leicht
sortierbar sind, ausreichend Luft. An einigen Stellen
sind die Filmemacherinnen selbst zu sehen. Wenn
der Film die Flughöhe der Betrachtung wechselt
und neue Ebenen der Reflexion einzieht: Mit Freund/
innen sitzen sie dann zusammen, diskutieren die
Situation
eines Europa, das einen Rechtsruck erlebt,
und versuchen zu analysieren, welche Pole bei der
Aufarbeitung der Vergangenheit aufeinander wirken.
Back to the Fatherland ist filmisches Ergründen. Ein
Herantreten an Emotionen, ein Zusammenbringen
von Stimmen für eine Beziehungsarbeit mit dem
Jetzt, in das die Vergangenheit eingeschrieben ist.
(Katalogtext, jk)