Tarpaulins
Dokumentarfilm, AT/US 2017, Farbe, 78 min., OmeU
Diagonale 2018
Regie, Buch, Kamera, Schnitt: Lisa Truttmann
Originalton: Sonja Bertucci, Pin-Hua Chen, Ben Neufeld, Behrouz Rae, Andy Rector, Jacob Rimler, Jessica Smith, Nora Sweeney, Lisa Truttmann
Sounddesign: Lisa Truttmann, Soundtechnik/mix: Aidan Reynolds
Weitere Credits: Supporting filmmaker: Nora Sweeney
Companions: Nora Sweeney, Behrouz Rae, Sonja Bertucci, Andy Rector, Ben Neufeld
Production advisor: Nora Friedel
a.o.
Produzent:innen: Lisa Truttmann
Hüpfburgen, verhüllte Kunstwerke oder Zirkuszelte? Das Stadtbild
in und um Los Angeles ist bunt gesprenkelt. Tarpaulins heißen die Zeltbahnen, in die ganze Gebäude zur Ausrottung von Termiten eingewickelt werden. Lisa Truttmann verwebt deren Geschichte mit jener der ungeliebten Hausbewohnerinnen. Und erweitert das Feld um ästhetische Sensationen: Farben, Formen und Geräusche der Tarpaulins – und selbstredend auch die Geräusche der Termiten. Ein Fest für die Sinne!
In bunte Zeltbahnen gehüllte Häuser, die an Hüpfburgen und Zirkuszelte erinnern, gehören zu Los Angeles wie Erdbeben und Termiten – sie tauchen auf und verschwinden wieder. Diese temporären Skulpturen haben ihre ganz eigene Ästhetik: Man findet sie in den Farben der amerikanischen Flagge oder des Himmels oder in der jeweiligen Lieblingstönung der Hausbesitzerin/des Hausbesitzers. Tarpaulins heißen diese Zelte bzw. Zeltbahnen, deren Geschichte die Wiener Filmemacherin und Künstlerin Lisa Truttmann zwei Jahre lang verfolgt und filmisch begleitet hat. Tarps, wie sie auch genannt werden, sind Bestandteile einer effektiven Methode, um ein Haus von Termiten oder anderem Ungeziefer zu befreien: Zuerst wird das betroffene Bauwerk in das bunte Material gehüllt, anschließend die unliebsamen Hausbesetzer mit Gas ausgerottet.
Die Filmemacherin recherchiert auf den Spuren dieser in beständiger Dunkelheit lebenden Insekten – und ist ihnen immer einen Schritt hinterher. Termiten gelten als „stille Zerstörer“, sind Recycler und Househunter zugleich. Noch haben sie Los Angeles nicht übernommen, aber sie sind eine zunehmende Plage, gegen die der Mensch nur schwer ankommt.
Solange die Tradition des Holzbaus fortgeführt wird, werden die Termiten sich ausbreiten, bieten die Holzhäuser ihnen doch ein regelrecht paradiesisches Lebensumfeld.
Der geschickt montierte Essayfilm erzählt nicht nur die Geschichte der Termiten und beleuchtet aus unterschiedlichen Blickwinkeln den Kampf des Menschen gegen die Natur, indem er Experten wie Insektologen, Bauarbeiter, Kammerjäger und Städteplaner zu Wort kommen lässt, sondern er spielt auch mit der popkulturellen Aufladung und der kulturgeschichtlichen Bedeutung der Stadt, die schon immer Ziel und Sehnsuchtsort für Künstler/innen und Filmemacher/innen war. In ihrer heiterpoppigen Betrachtung reflektiert Truttmann auch die Machart ihres Films, befindet sich im ständigen Dialog mit ihrem Alter Ego und hinterfragt die Kategorien von Arm und Reich, Profit und Verlust, Tod und Leben, Makro- und Mikrokosmos. Dazu Aufnahmen der verhüllten Objekte, die zu Skulpturen im öffentlichen Raum werden. Heim des Menschen oder der Termiten, Kunst oder funktionale Baustellen? Alles eine Frage der Perspektive.
(Katalog,ast)