ROTE ERDE WEISSER SCHNEE
Dokumentarfilm, AT 2018, Farbe+SW, 71 min., 16.3. OmdU / 17.3. OmeU
Diagonale 2018
Regie, Buch: Christine Moderbacher
Kamera: Christine Moderbacher, Josef Moderbacher, Chibeke Nklachukwu Anthony
Schnitt: Marie Cordenier
Originalton: Sofyann Ben Youssef
Stephan Sperlich
Salvatore Crisci
Musik: Sofyann Ben Youssef
Sounddesign: Bernhard Zorzi
Weitere Credits: Schnittassistenz: Carolina Corral
Schnittberatung: Rudi Maerten
Tonmischung: Bernhard Zorzi
Blautöne Wien
Farebkorrektur: Lee Niederkofler
Textberatung: Iris Blauensteiner
Location Man. Nigeria: Obi Mercy Chituru
Übersetzung: Obi Mercy Chituru, Marie Cordenier, Yasmin Al-Hadithi
VH8 Digitalisierung: StudioScan.be/ Schreiber-Media
Postproduktionsassistenz: Sebastian Schreiner
Produktionsberatung: Peter Payer
Produzent:innen: Christine Moderbacher
Produktion: Pinanona Produktion
In den 1960er-Jahren prägten die
Medienbilder des nigerianischen
Biafrakriegs die Vorstellung von einem ganzen Kontinent. So auch für
Christine Moderbachers Vater, der
Jahrzehnte später seinem Pfarrer
Sabinus helfen will, in dessen Heimatdorf
eine katholische Schule zu
errichten. Mit dabei: die Tochter und
ihre Kamera. Eine persönliche Vater-Tochter-Reise und ein filmisches
Notizbuch über Abhängigkeitsverhältnisse
und die Unvereinbarkeit
von Unabhängigkeitsbewegungen
und christlichen Missionsprojekten.
Für eine ganze Generation waren die Medienbilder
des Biafrakriegs in den 1960er-Jahren prägend
für die Vorstellung vom gesamten Kontinent. So auch
für Christine Moderbachers Vater, der Jahrzehnte
danach seinem Pfarrer Sabinus helfen will, in dessen
Heimatdorf im Südwesten Nigerias eine katholische
Schule zu errichten und Mais anzubauen. Die Tochter
soll ihn begleiten. „Ich habe mir zuerst gesagt, dass
das nicht geht. Dass ich nicht mitfahren kann, weil
ich mich schon lange von der Kirche entfernt habe.“
Mit einer Kindheitserinnerung an die Angst vor der
göttlichen Macht beginnt Moderbacher ihren Erzähltext
aus dem Off – und begibt sich schließlich doch
gemeinsam mit dem Vater auf die Reise.
Die Filmemacherin – selbst nie im Bild zu sehen –
lässt sich mit ihrer Kamera auf das ambivalente Treiben
um sie herum ein. Während der Vater gemeinsam
mit anderen verzweifelt versucht, den defekt
aus Österreich überstellten Traktor wieder in Gang
zu bringen, taucht Christine Moderbacher in die ihr
fremde Umgebung ein, zeigt in lockerer Interaktion
mit den Gastgeber/innen deren Alltag und verweist
gleichzeitig in bedacht eingeflochtenem Archivmaterial
auf die Geschichte des Landes. In direkten
Gesprächen mit den Dorfbewohner/innen ertastet die
Filmemacherin nachhallende, beständige Risse und
spürt dabei der eigenen Verunsicherung nach, wie
Unabhängigkeitsbewegungen und christliche Missionsprojekte
überhaupt zusammenpassen können.
Immer ruckelnder und verzogener werden die
eingestreuten Aufnahmen der reaktivierten VH8-Kamera,
mit der der Vater früher die Familienreisen
dokumentierte und mit der Moderbacher nun wiederum
die gemeinsame Reise festhält. Die Hitze scheint
dem alten Gerät nicht zu bekommen, mutmaßt dieser
am Ende eines langen Tages, der Reparaturen am
rostigen Traktor gewidmet war. „Während alle rund
um die Uhr darum bemüht sind, irgendetwas zu verbessern,
frage ich mich, ob es ein Helfen geben kann,
ohne Abhängigkeit zu kreieren. Ab wann Helfen zur
Gönnerschaft wird“, heißt es an einer Stelle aus dem
Off. Und an einer anderen posieren lächelnd und in
sanftes Sonnenlicht getaucht Kinder und Jugendliche
für Bewerbungsfotos um Ausbildungspatenschaften,
während die Filmemacherin eindringliche
Passagen aus Briefbotschaften verliest, die von
Zukunftsträumen und Hoffnungen erzählen. ROTE
ERDE WEISSER SCHNEE vereint eine persönliche
Vater-Tochter-Reise und zarte visuelle Anthropologie
zu einem besonderen filmischen Notizbuch, in dem
Christine Moderbacher über unaufhörliche Abhängigkeitsstrukturen
nachdenkt.
(Katalogtext, jk)