Flaschenkinder
Dokumentarfilm, DE 1975, Farbe, 27 min.
Diagonale 2018
Regie: Peter Krieg
Der Film thematisiert das Problem
und die Folgen der Verbreitung
künstlicher Babynahrung in Afrika
durch den Konzern Nestlé. „Der
Film ist ein typischer Flugblattfilm.
Er informiert. Aber sein Kommentar
bemüht sich nicht um Objektivität,
die es im Journalismus sowieso nie
geben kann“
Der Film thematisiert das Problem und die
Folgen der Verbreitung künstlicher Babynahrung in
Afrika durch den Konzern Nestlé.
Wir müssen den betroffenen Opfern helfen –
am wirkungsvollsten dadurch, dass wir die Ursache
des Elends in unseren Ländern bekämpfen, denn
von dort kommt es, und indem wir sie dabei unterstützen,
die Lage zu erkennen und zu verändern.
Die Eltern
meiner Generation haben sich auf die Fragen,
warum sie den Verbrechen des Faschismus
in meinem Land keinen Widerstand leisteten,
schlechten
Gewissens damit entschuldigt, sie hätten nichts gewusst von diesen Verbrechen, und
wenn, dann hätten sie aus Angst die Augen davor
geschlossen.
Wir, die wir täglich
die Opfer der neuen
Verbrechen vor Augen haben,
werden uns nicht
mehr mit Unwissenheit entschuldigen können, und
jede augenverschließende Duldung wird uns zu Komplizen
dieser Verbrechen machen.
(Peter Krieg über seinen Film)
Die erhöhte Babysterblichkeit in Afrika durch
verseuchtes Wasser, das zum Anrühren des Nestlé-Milchpulvers gebraucht wurde, kam als Thema Ende
der 1970er-Jahre im Fernsehen nicht vor. Filmvorführungen
in einem Studentenheim oder in einem
Gasthaus in Tirol oder Niederösterreich brachten diesen
Skandal ins Bewusstsein.
So wurde oft bis spät
in die Nacht erschüttert über die gezeigten Fakten
diskutiert.
Im Anschluss an derartige Filmvorführungen
wurde
das Gesehene versprachlicht und Argumenten anderer zugehört – Kontrapunkt zum TV-Angebot
und dessen Rezeptionssituation, bei der eher zerstreute
Aufmerksamkeit, individuelles Ansehen und
sprachloses Zurückbleiben konstituierend sind.
„TV ist ein Medium des Vergessens“, meinte einmal
Jean-Luc Godard.
Der Film ist ein typischer Flugblattfilm. Er informiert.
Aber sein Kommentar bemüht sich nicht um
Objektivität, die es im Journalismus sowieso nie
geben
kann. An der Erzählstimme lässt sich die
Empörung
über die aufgezählten Fakten hören, die
akribisch
recherchiert sind.
Die Zusammenschau dieser Tatsachen beunruhigt
in weiterer Folge das interessierte Publikum.
Man beginnt, sich zu überlegen, was dagegen getan werden kann. Das ist der idealtypische Einsatz
von sogenannten Flugblattfilmen, ähnlich den Flugblattliedern
in der Anti-AKW-Bewegung oder gegen
den schleichenden alltäglichen Faschismus.
(Katalogtext, Franz Grafl)