SCHAUSPIELERIN
Spielfilm, AT 2018, Schwarzweiß, 97 min., OmeU
Diagonale 2019
Regie, Kamera, Schnitt, Sounddesign: Tobias Hermeling
Buch: Tobias Hermeling/Brigitte Karner
Darsteller:innen: Brigitte Karner, Schwester Immaculata, Johanna Lonsky, Teresa Bönisch, Viktoria Blaschek, Gernot Haas, Michael Jirsak, Ingrid Oberkanins, Peter Huber, Stefano Spacagna, Steve Haider, Martin Vetter, Alexandra Stroh, Benjamin Vanyek, Ali Sarey Alsweedi
Originalton: deutsch
Musik: Wolfgang Mitterer, Christian Fennesz
Produzent:innen: Tobias Hermeling, Brigitte Karner
Produktion: Tobias Hermeling
Der Höhepunkt ihrer Karriere liegt
bereits länger zurück, doch einmal
möchte die Schauspielerin (Brigitte
Karner) noch durchstarten. Tatsächlich
bekommt die Frau Ende fünfzig
bald ein Angebot für eine Rolle, die
für sie maßgeschneidert scheint.
Aber dann folgt doch die Absage.
Ein dokumentarisch anmutender,
hervorragend gespielter Film über
eine alternde Frau, die allmählich
unsichtbar zu werden droht.
Schauspielerin: Beruf, Berufung und immenser
Druck. Die attraktive Frau Ende fünfzig (Brigitte Karner)
hat all diese Facetten des großen Ganzen durchlebt
und weiß um zahlreiche mehr: Schauspielerin,
ein Werkzeug zur Selbstverwirklichung, ein Boomerang
der Verzweiflung.
In den 1980er-Jahren war sie sehr erfolgreich,
weltberühmt, drehte mit Regiegrößen und kannte
den Filmfestspielglamour. Mittlerweile ist die Auftragslage
mau, sie hat sich einige Jahre Pause
gegönnt, möchte nun aber noch einmal durchstarten.
Tatsächlich bekommt sie bald ein attraktives
Filmangebot, eine Rolle, die für sie maßgeschneidert
scheint. Die Schauspielerin ist überglücklich,
managt sich mittlerweile selbst, organisiert sofort
ein paar Interviews. Doch kurze Zeit später erfolgt
die Absage. Ihr Umfeld aber lässt die Schauspielerin
weiterhin im Glauben, der Film würde mit ihr gedreht.
Regisseur Tobias Hermeling verschränkt für
seinen bemerkenswerten, ohne große Förderung
realisierten Film Drehmaterial und Aufzeichnungen
öffentlicher Auftritte aus der Vergangenheit der
Schauspielerin Brigitte Karner mit der fiktionalen
Geschichte seiner Protagonistin. Der dokumentarische
Anschein, den die Integration dieser realen, retrospektiv
genutzten Aufnahmen erweckt und den
das Schwarz-Weiß auf der formal-ästhetischen Ebene
in die Nähe sehnsuchtsvoller Nostalgie rückt, ist ein
direkter Weg in den Kern der Hauptfigur: eine alternde
Frau, die allmählich unsichtbar zu werden scheint.
Mit der schwindenden Auftragslage vereinsamt
die Schauspielerin zusehends, zieht sich zurück
und wird schwermütig. In leicht manischen Phasen
bringt sie dagegen zumindest Verzweiflung auf, die
sie Kurse halten lässt für Schauspielanfänger/innen.
Bittere Szenen sind das, toll gespielt von Karner und
großartig wiederum in der Fusion von realer und fiktionaler
Figur. Hermeling und Karner ist es in Gesprächen
über diesen Film wichtig zu betonen, dass die
Biografie von Karner nichts mit der Geschichte der
Schauspielerin im Film zu tun hat. Ein überflüssiger
und trotzdem verständlicher Hinweis angesichts von
Karners uneitlem, selbstbewusstem Spiel.
Über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg hat
Hermeling seinen Film in Österreich gedreht. Karner
sieht man diese fünf Jahre an – ein weiteres Element,
das dieser Arbeit ungewöhnliche Authentizität, ja
gar Wahrhaftigkeit verleiht. Im üblichen Pool der
verwechselbaren, immerhübschen Darstellerinnengesichter
und Darstellerinnenmanierismen vermisst
man eine Performance wie diese zu Recht. Mitnichten
soll das heißen, dass Karner hier nicht schön oder
die Protagonistin nicht stolz wäre, denn das ist sie.
(Katalogtext, az)