In der Kaserne
Dokumentarfilm, AT 2019, Farbe, 72 min., OmeU
Diagonale 2019
Regie, Buch: Katharina Copony
Darsteller:innen: Ellis Artmann-Widerhofer, Josefine Lyon, Greta Lenhart
Kamera: Stefan Neuberger
Schnitt: Bettina Blickwede
Originalton: Peter Kutin
Sounddesign: Peter Kutin
Szenenbild: Christian Gschier, Lotte Lyon
Kostüm: Christine Winkler
Weitere Credits: Sprecherinnen: Ursula Scribano, Liese Lyon;
weitere Darstellerinnen: Constanze Ederer, Sofia Janser-Castorina, Mia Elena Postl, Ilya Ziampras, Maja Ziampras;
Schneiderei: Belinda Winkler;
Produktionsleitung: Karin Berghammer;
Regieassistenz: Zorah Berghammer;
Produktionspraktikant: Andi Haller;
Produktionsassistenz: Petra Koller, Leni Lauritsch, Kim Schmid
Produzent:innen: Barbara Pichler, Gabriele Kranzelbinder
Produktion: KGP Filmproduktion
„An was erinnerst du dich? Wie war
es, damals hier aufzuwachsen?“,
fragt eine Frau aus dem Off. 23 Jahre
lang führte deren Großmutter die
Kantine in einer steirischen Kaserne.
Als kleines Mädchen wuchs sie zwischen
marschierenden Soldaten auf –
so wie zuvor schon ihre Mutter und
deren Geschwister. Copony zerlegt
ihre Familiengeschichte und sucht
in einem wunderbar außergewöhnlichen
Film nach den Einlagerungen
zwischen den Bildern: „Welche Welt
taucht auf in den Erzählungen und
Erinnerungen der anderen?“
Auf einem klapprigen Fahrrad balancieren zwei
Mädchen einen Weg in einer begrünten Gebäudeanlage
entlang. Leise begleitet die Kamera die spielenden
Kinder, die alsbald im Schatten der Bäume mit
Bällen auf Blechtonnen zielen und mit Kreide Hüpfkästchen
auf den rissigen Betonboden zeichnen. Im
Hintergrund spazieren zwei Soldaten des österreichischen
Bundesheers vorüber. „Links, zwo, drei, vier!“ –
ganz leise hallt von irgendwoher ein Kommando.
„An was erinnerst du dich? Wie war es, damals hier
aufzuwachsen?“, fragt eine weibliche Stimme aus
dem Off. Und eigentlich ist das weniger eine Frage
als der Beginn einer künstlerischen Erzählung: Die
Großmutter der Filmemacherin führte über zwanzig
Jahre lang die Kantine in dieser südsteirischen
Kaserne. Als kleines Mädchen lebte sie hier mit ihrer
Mutter. Und auch die war gemeinsam mit zwei ihrer
Schwestern auf dem Gelände an der slowenischen
Grenze aufgewachsen. Jede erlebte dort eine ganz
eigene Kindheit.
Die Filmemacherin zerlegt ihre Familiengeschichte
in kaleidoskopische Splitterteilchen. In
ihrem Offtext verwebt sie Erinnerungsfragmente aus
zwei Generationen: Sanft rotieren die Erzählperspektiven
zwischen Copony, ihrer Mutter und ihren
Tanten. In zurückhaltender Poesie bebildert sie die
verschiedenartigen Eindrücke der Mädchen von
damals mit kindlichen Stellvertreterinnen, die sich
auf dem Kasernengelände durch die verwinkelten
Gänge jenes Schlosses bewegen, das die Großfamilie
bewohnte. Unaufgeregt sind die zeitgefalteten
Bilder, die eine sonderbare Atmosphäre verströmen,
in der zwei Parallelwelten aufeinandertreffen, die so
viel und zugleich so wenig miteinander zu tun haben:
heranwachsende Mädchen umgeben von Soldaten,
die im Gleichschritt militärische Übungen vollziehen.
Über den Krieg wurde in der Familie nie gesprochen –
auch über vieles andere nicht. Tiefkatholisch war
die Mutter, die „wie ein Uhrwerk funktionierte“ und
es nicht gern sah, wenn die Töchter zu lang mit den
Soldaten sprachen. Später war sie dann fürsorgliche
Großmutter „mit einer Engelsgeduld“, bevor die
Kasernenkantine Ende der 1970er-Jahre schließlich
vom Bundesheer übernommen wurde und die Familie
Arbeits- und Wohnort wechselte. Nach knapp vierzig
Jahren kehrt Katharina Copony an diesen Ort zurück,
um ihre verwinkelte Familiengeschichte zu rekonstruieren.
Ein wunderbar außergewöhnlicher Film,
der zwischen den Bildern nach Einlagerungen mehrerer
Generationen sucht: „Welche Welt taucht auf in
den Erzählungen und Erinnerungen der anderen?“
(Katalogtext, jk)