Ein ganz normaler Tag - „Geschichten aus Österreich“
Spielfilm, AT 1977, Farbe, 44 min., dOF
Diagonale 2019
Regie: Heide Pils
Buch: Herbert Pirker
Darsteller:innen: Johanna Brix, Jaromir Borek, Rudolf Strobl, Arnfried Hanke, Ingold Platzer, Tom Krinzinger
Kamera: Gerhard hierzer, Alex Komarek
Schnitt: Irene Tomschik
Produktion: ORF
Diagonale im Dialog: Im Anschluss an das Screening sind die wegweisenden Fernsehmacherinnen Heide Pils (Regie) und Trautl Brandstaller (Prisma u. a.) sowie Waltraud Langer (Chefredakteurin Magazine ORF) im Gespräch mit Alexandra Zawia (Filmkritikerin und Autorin). Mit Unterstützung der Diagonale-Hauptsponsorin Steiermärkische Sparkasse.
Besonders in der Ära Kreisky/
Dohnal gab es Impulse, das
massenmedial gestaltete Weiblichkeitsbild
den Lebenswirklichkeiten
von Frauen anzupassen. Die
Sendung Prisma etwa war unter
der Leitung von Trautl Brandstaller
feministisch richtungweisend,
und in so manchem Club 2 wurde
hitzig über das Rollenbild der Frau
debattiert. Die Journalistin, Autorin
und Filmemacherin Heide Pils
machte in dieser Zeit – und auch
danach – zahlreiche Fernsehfilme,
die pointiert und oft ironisch von
weiblicher Realität handeln.
Vieles von dem, was den feministischen Diskurs
seit seinen Anfängen bestimmt, findet sich im Fernsehen
wieder. In TV-Serien, in denen Frauen zum
tausendsten Mal intrigante Verführerinnen spielen,
in Casting- und Datingshows, in denen sie so schön
wie möglich ihren Traumprinzen suchen, oder in Diskussionsrunden,
zu denen stets mehr Männer als
Frauen eingeladen werden. In der Kultur der Wahrnehmung
dessen, was weiblich und was männlich
ist, nicht minder tragend: die Rolle der TV-Werbung.
Ein Massenmedium wie das Fernsehen manifestiert
Rollenbilder, kann sie aber auch aufbrechen
und neu definieren. Dahingehend gab es immer
wieder Impulse, und besonders in der Ära des liberalsozialdemokratischen
Bundeskanzlers Bruno Kreisky
(1970–1983) finden sich dafür interessante Beispiele.
Drei davon sollen hier präsentiert werden.
Zum Auftakt einige Szenen aus dem Club 2
vom 1. Oktober 1981 zum Thema „Frauenbilder,
Bilderfrauen – Das Bild der Frau in den Medien“.
Anlass für diese Diskussion waren die Ergebnisse
der „Aktion Medienbeobachtung“, die die damalige
Frauenstaatssekretärin Johanna Dohnal in Auftrag
gegeben hatte. Ziel der Aktion war die „kritische
Auseinandersetzung mit den Rollenklischees im
Fernsehen“. Mit den Resultaten sollten auch die
Programmgestalter des ORF konfrontiert werden.
Zur Runde geladen waren neben Dohnal der damalige
ORF-Pressesprecher Franz Ferdinand Wolf
(mittlerweile Abgeordneter der ÖVP), die Journalistin
Eva Deissen, der Sozialwissenschaftler Rudolf
Bretschneider, der Regisseur Axel Corti und die
Journalistin und Filmemacherin Heide Pils. Die Journalistin
Traudl Lessing moderierte diese deutliche
Kollision weiblicher Verwirklichungsvorstellungen
mit praktizierter Medienpolitik.
In Heide Pils’ Fernsehfilm Ein ganz normaler Tag
trifft man dann auf Renate Iglauer. Die 29-Jährige
lebt, mit sich selbst ganz wunderbar eingespielt, in
Wien und arbeitet seit fünf Jahren bei einer Werbeagentur.
Nun will sie ihr Potenzial ausschöpfen.
Als sie hört, dass in der Firma die Stelle der Direktionsassistenz
ausgeschrieben wird, vereinbart sie
einen Termin mit dem Generaldirektor, um sich
zu bewerben. Pils verschränkt Renates vielfältige
Beobachtungen in ihrem Alltag als Frau mit ihren
beruflichen Aufgaben. Und mit der nicht selten
wunscherweckenden Wirkung, die das Werbeumfeld
auf Renates Wahrnehmung von Weiblichkeit
und Männlichkeit und die bestehenden Rollenbilder
hat. Dabei ist Pils nicht moralisierend, sondern offen
ironisch. Vieles von dem, was Renate (wohl nicht nur
an diesem normalen Tag) widerfährt und zu Ohren
kommt, erlebt man wie verstörende Déja-vus. Immer
wieder gerät Renate auch an Männer, die die Chance
hätten, geschlechterbasierte Diskriminierung an Ort
und Stelle auszuhebeln. Doch lagern diese ihre Verantwortung
stets an „höhere Autoritäten“ aus. Ein
Patriarchat, das sich nicht stürzen lässt?
Umgekrempelt hat die gängigen Frauenbilder
im Jahr 1972 zumindest in Ansätzen ein aufsehenerregendes
neues TV-Format: Prisma war zynisch,
kontroversiell und kritisch gegenüber Geschlechterklischees
und wurde zum Impulsgeber für mehr
und mehr Frauenkolumnen in den Printmedien. Im
international erstmals ausgerufenen „Jahr der Frau“
wurde die Sendung 1976 in den Hauptabend verlegt
und eine Frau mit der Sendungsleitung beauftragt:
Trautl Brandstaller.
(Alexandra Zawia)