Ein Clown | Ein Leben
Dokumentarfilm, AT 2021, Farbe, 105 min., 10.06. OmdU/11.06. OmeU
Diagonale 2021
Regie, Schnitt: Harald Aue
Buch: Harald Aue, Thomas Christian Eichtinger
Darsteller:innen: Bernhard Paul, Fulgenci Mestres, Marco Antonio Vega, Eliana Larible-Paul, Lili Paul, Vivi Paul, Patrick Philadelphia, Eddy Neumann, Anatoli Akerman, u.v.m.
Kamera: Michael Gartner, Anna Baltl
Originalton: Tong Zhang, Benedikt Palier, Jón Geirfinnsson
Musik: Ernst Molden & Der Nino aus Wien
Sounddesign: Rudolf Pototschnig
Szenenbild: Zora Kats
Produzent:innen: Thomas Christian Eichtinger
Produktion: Neue Vitaskop Film
Bernhard Paul, Mitgründer des weltberühmten Zirkus Roncalli, möchte als Clown Zippo zurück in die Manege. In Harald Aues Film bereitet er sich schon einmal vor, legt Schminke auf, trainiert mit seinem neuen Clown aus Mexiko. Doch wie ist eigentlich die Geschichte von Roncalli? Paul lässt an einer Rückschau teilhaben, erzählt von seinem Lebenswerk, das selbstverständlich anmutet, lässig. So wie die Lieder des Duos Ernst Molden & Der Nino aus Wien, die über dem Film schwingen wie Artist/innen auf dem Trapez.
Bernhard Paul und sein Alter Ego, der Clown Zippo, wünschen sich das traditionelle Clowntrio zurück. Die klassische Besetzung – bestehend aus Weißclown, August und Contra-August – mit ihrem Spiel, deren Ursprünge in der Commedia dell’Arte liegen, soll nicht in Vergessenheit geraten. Noch heute fragen Menschen, ob und wann Paul wieder in die Manege zurückkehrt, und erinnern sich an seine gefeierten Auftritte. Die einstigen Partner sind tot, Paul hat sie alle überlebt, und mangels passender Partner ließ er Zippo ruhen. Doch jetzt hat er im mexikanischen Clown Chistirrin ein junges Talent entdeckt, mit dem er nach vielen Jahren der Abstinenz das Comeback mit einer traditionellen Nummer wagen möchte.
Harald Aues Ein Clown | Ein Leben hangelt sich lose an Pauls ersehnter Rückkehr in die Manege entlang. Man sieht Paul bei der Transformation zum Clown Zippo – Vorbereitung auf eine nahende Zukunft und Erinnerung an eine große Vergangenheit zugleich. Aue verfolgt in seinem Film, der sich einem eigenen, besonnenen Tempo verschrieben hat, beide Linien: Rückschau und Gegenwart.
„Man kann nicht von heute auf morgen Zirkus machen“, urteilte Elfi Althoff-Jacobi, dereinst Leiterin des Österreichischen Nationalzirkus, über die Ambitionen des noch jungen Paul. Dass Paul selbstverständlich doch Zirkus machen konnte, auch von heute auf morgen, experimentell und mit feinem Geschmack, bewies er wenig später mit seinem Zirkus Roncalli. Das Konzept: der ideale Zirkus seiner Kindheit. Unterhaltung und Poesie statt sabbernder Kamele und nach Schweiß stinkender Synthetikkostüme.
Harald Aue sucht den Beginn von Roncalli in Pauls Kindheit. Er findet und verwebt grandiose Archivaufnahmen oder lässt den Direktor über einen Friedhof streifen und von der Vergangenheit erzählen. Etwa vom nicht einfachen Verhältnis zu seiner Mutter,
für die er bereit war, Akrobatisches zu leisten – etwa die elterliche Wohnung in einen originalgetreuen Urzustand zu versetzen, samt Besteckset und passender Wandmalerei.
Ein Clown | Ein Leben handelt von einem, der seinen Erfolg einer ungewöhnlichen Kombination von Begabungen verdankt: einem begnadeten Sinn fürs Detail, dem untrüglichen Gespür für die Show und ausreichend Mut, Visionen in die Tat umzusetzen. Ergebnis ist ein Unterhaltungsimperium mit Sitz in Köln. Lagerhallen voll alter Zirkusrequisiten, Wagen und Antiquitäten. Ein Lebenswerk, das selbstverständlich anmutet, lässig. So wie die Lieder des Duos Ernst Molden & Der Nino aus Wien, die über dem Film schwingen wie Artist/innen auf dem Trapez.
(Katalogtext, red)