Auslegung der Wirklichkeit – Georg Stefan Troller
Dokumentarfilm, AT 2021, Farbe, 121 min., OmeU
Diagonale 2022
Regie: Ruth Rieser
Buch: Ruth Rieser
Darsteller:innen: Georg Stefan Troller
Kamera: Volker Gläser
Schnitt: Karin Hammer
Originalton: Ines Vorreiter, Sebastian Wagner
Sounddesign: Veronika Hlawatsch
Produzent:innen: Ruth Rieser
Produktion: RR* Filmproduktion
Georg Stefan Troller arbeitete viele Jahrzehnte als Dokumentarist, Drehbuchautor, Fernsehjournalist und ist weiterhin als Schriftsteller tätig. In ihrem vielschichtigen Porträt über Troller lässt Ruth Rieser den hundertjährigen Filmemacher über Arbeit, Liebe und sein Verhältnis zu Österreich reflektieren, aus dem er 1938 fliehen musste. Resultat ist eine Begegnung von enormer Reichhaltigkeit.
„Das Geheimnis des Menschen ist unauslotbar“, sagt Georg Stefan Troller. Sich ihm zu nähern hat der 1921 in Wien Geborene dennoch versucht. Troller, der viele Jahrzehnte als Dokumentarist, Drehbuchautor und Fernsehjournalist arbeitete und weiterhin als Schriftsteller tätig ist, realisierte ein über 170 Filme und über zwanzig Bücher umfassendes Werk. In seinem „Pariser Journal“ und der Reihe „Personenbeschreibung“ entwickelte er eine durchaus konfrontative, aber dennoch empathische Fragetechnik, die den Dokumentarfilm pionierhaft prägte. „Der Zauber des Metiers liegt in dem eigentümlichen Verhältnis zwischen Wahrheit und Fiktion, zwischen Realität und ihrer Darstellung“, meint Troller, der in Ruth Riesers vielschichtigem Porträt auch auf die verschiedenen Aspekte des Dokumentarischen eingeht, etwa am Beispiel der Kameraarbeit Carl F. Hutterers in Begegnung im Knast (1981). Nicht nur in der Befragung Trollers, sondern auch anhand einer Szenenauswahl aus seinem Œuvre, das eine ganze Generation von Filmschaffenden prägte, durchdringt Auslegung der Wirklichkeit – Georg Stefan Troller das Leben eines erstaunlichen Menschen, der als Sohn eines jüdischen Pelzhändlers 1938 aus Wien geflohen und im April 1945 aufseiten der US Army an der Befreiung des KZ Dachau beteiligt war. Für den heute Hundertjährigen, einen der letzten Überlebenden der Shoah, wurde die eigene Arbeit auch zur „Selbstrettung“, als Praxis, wieder zu Gefühlen und Empfindungen zu gelangen.
(Katalogtext, cw)
Ruth Rieser hat sehr viel Empfindung für Menschen und für richtige Augenblicke. Man reagiert ja richtig oder gut als Opfer eines Films nur dann, wenn der Mensch, der mit dir einen Film macht, fähig ist, auf dich einzusteigen und dich zu verstehen. Und das konnte Ruth Rieser. Auf diese Art bin ich auch ganz schön aus mir herausgegangen und habe zu meiner Überraschung, als ich es nachher sah, Dinge gehört, von denen ich keine Ahnung hatte, dass ich sie gesprochen habe oder dass ich sie wusste.
(Georg Stefan Troller, zit. nach: Wolfgang Huber-Lang / APA)
Die Frage, was von der Erinnerung an die Schoah bleiben wird, treibt ja nicht nur die Überlebenden seit vielen Jahren um, sondern auch die Nachgeborenen, denen es darum geht, das Vergessen – um der Zukunft willen! – hintanzuhalten. Dieser Film ist ein Steinchen des Mosaiks, das dafür nötig ist. Ruth Rieser sei Dank!
(Otto Friedrich, Die Furche)
Ruth Rieser gelingt es mit ihrem nuancierten Porträt, sowohl die Persönlichkeit Georg Stefan Troller als auch seine umfangreiche, vielschichtige Arbeit nahezubringen und ihn damit eine höchst verdiente Würdigung erfahren zu lassen.
(Jörg Schiffauer, ray Filmmagazin)