Diagonale
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Razzennest
Spielfilm, AT 2022, Farbe, 81 min., eOF
Diagonale 2023

Regie, Buch, Schnitt: Johannes Grenzfurthner
Darsteller:innen: Sophie Kathleen Kozeluh, Michael Smulik, Anne Weiner, Roland Gratzer, Jim Libby, Bob Rose, Joe Dante
Kamera: Florian Hofer, Philine Hofmann, Ronald von den Sternen
Originalton: Daniel Hasibar, Fabian Wessely
Musik: Alec Empire
Sounddesign: Daniel Hasibar, Fabian Wessely
Weitere Credits: Assistant Director: Jasmin Hagendorfer Farbkorrektur: Bernhard Hochenauer Associate Producers: Robert Stachel, Vlad Gozman, Michael McEnroe, Seda Röder, Matthias Röder, David Fine, Antonio Rosa Lobo
Produzent:innen: Johannes Grenzfurthner, Jasmin Hagendorfer, Günther Friesinger, Julianne Gabert
Produktion: monochrom

 

In der an Cringe und Irrsinn nicht sparenden Horrorkomödie verdichtet sich scheinbar Unzusammenhängendes zu einer faszinierenden Melange. Was als Satire auf die Filmindustrie in Form eines Audiokommentars beginnt, wandelt sich zu einem Genrefilm, zu einer historischen Auseinandersetzung mit den sogenannten Schwedenlöchern in Niederösterreich und zu einem komplexen formalen Experiment zwischen Bild- und Tonebene.

Dass sich in Horrorfilmen (und nicht nur dort) das Schlimmste in der Imagination abspielt, ist allseits bekannt. Was Johannes Grenzfurthner in seiner irren Vermischung von Genrefilm, Satire auf die Filmindustrie, formalem Experiment und Geschichtsaufarbeitung damit anfängt, hat man so aber noch nie gesehen beziehungsweise gehört. Der ziemlich unausstehliche selbsterklärte Auteur Manus findet sich zusammen mit Mitgliedern seines Filmteams in einem Tonstudio in Los Angeles ein, um dort den Audiokommentar zu seinem neuen Kunstfilm einzusprechen. Die Filmkritikerin Babette, eine typische Vertreterin der oberflächlichen Ausprägungen ihrer Zunft, versucht, sich mit ihm, seinem Kameramann und seiner Produzentin über den eklektischen, im Rohrwald bei Korneuburg angesiedelten Film auszutauschen. Auf der Bildebene sieht man nur diesen aus scheinbar recht willkürlich aneinandergeklebten Suggestivbildern bestehenden Film, während man auf der Tonebene dem mal toxischen, mal komischen Audiokommentar samt zwischendurch aufbrausender Musik und einem bereits früh angekündigten kurzen Voice-over von Joe Dante (dem Joe Dante!) folgt. Der Film im Film dreht sich rund um die sogenannten Schwedenlöcher – Erdställe, in denen sich Familien unter anderem während der Schwedenkriege versteckten. Er wolle nichts erklären, brüllt Manus in die übersteuernden Mikrofone. Die selbstverliebte, dogmatische Leidenschaft des Filmemachers trifft auf das Unverständnis der Kritikerin, und so wähnt man sich in einem recht unterhaltsamen Angriff auf anstrengendes Kunstgebaren, bis der Kameramann mit einem Mal das Studio vollkotzt und alles im Off aus den Fugen gerät. Die Zombies des 17. Jahrhunderts scheinen vom Film wiedererweckt, und die ziemlich lächerlichen Protagonist*innen müssen um ihr Leben fürchten. Was an Razzennest über die faszinierende Verdichtung nur scheinbar disparater Elemente hinaus beeindruckt, ist das extrem gewiefte Spiel zwischen Bild- und Tonebene. Folgen die Kommentare zu Beginn noch den bereits gedrehten Bildern aus Niederösterreich, dreht sich dieses Verhältnis nach und nach um, und die Bilder scheinen auf den Ton zu reagieren. Die Erdflüssigkeiten auf dem gefilmten Waldboden werden so zur Bebilderung des auf Tonebene hörbaren Geschreis, Gewürges und Geblutes. Das ist formal wie inhaltlich ziemlich schockierend und siedelt sich irgendwo zwischen The Ring (US 2002) und Gerhard Friedls Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen? (AT/DE 2004) an. Man hört den Horror und möchte trotzdem nicht hinsehen.
(Katalogtext, ph)

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