Das Tier im Dschungel
Spielfilm, AT/FR/BE 2023, Farbe, 103 min., 21.3. fOmeU A5 & fOmdU A6 / 25.3. fOmdU
Diagonale 2023
Regie: Patric Chiha
Buch: Patric Chiha, Axelle Ropert, Jihane Chouaib
Darsteller:innen: Anaïs Demoustier, Tom Mercier, Béatrice Dalle, Martin Vischer, Sophie Demeyer
Kamera: Céline Bozon
Schnitt: Karina Ressler, Julien Lacheray
Originalton: Atanas Tcholakov
Musik: Yelli Yelli & Florent Charissoux, Dino Spiluttini
Sounddesign: Mikaël Barre
Szenenbild: Eve Martin
Kostüm: Claire Dubien
Weitere Credits: Maske: Lila Vander Elst, Paul-François Matraja
Choreografie: Lorenzo de Angelis
Produzent:innen: Ebba Sinzinger, Vincent Lucassen, Charlotte Vincent, Katia Khazak, Cassandre Warnouts, Jean-Yves Roubin
Produktion: WILDart FILM
Koproduktion: Aurora Films (FR)
Frakas Productions (BE)
„Man muss tanzen, das kann uns niemand nehmen.“ Im Nachtclub einer Großstadt sind die beiden Hauptfiguren May (Anaïs Demoustier) und John (Tom Mercier) für einen Zeitraum von über zwanzig Jahren durch ein mysteriöses Geheimnis aneinandergefesselt. Während sie auf dessen Eintreten warten, sind Musik, Moden und Zeitgeschehen im steten Fluss. Eine pulsierende Ode an die Clubkultur und ein Plädoyer für die befreiende Macht des Sichverlierens im Rausch des Tanzes, des Lebens, der Liebe.
„Man muss tanzen, das kann uns niemand nehmen.“ Die Kraft des tanzenden Körpers und der Rausch der Freiheit, der ihm dabei innewohnt, waren seit jeher Mittel der Rebellion, aber auch Akte des Aufbäumens. Im Nachtclub keimt der Widerstand, er war immer schon Ort der Realitätsflucht, der unendlichen (Un-)Möglichkeiten, des Ausbrechens aus den Zumutungen des Alltags und der Selbstermächtigung zugleich. Hier bilden sich Gemeinschaften, hier führt Begehren nicht selten zu Liebe. Stets ist er ein sinnlicher und auch politischer Ort, an dem sich Subkultur und Mainstream aneinander reiben, Konventionen gebrochen und neue Regeln etabliert werden –
die Nacht folgt ihren eigenen Gesetzen.
Patric Chihas Das Tier im Dschungel fesselt uns an den Nachtclub einer Großstadt, in dem die beiden Hauptfiguren May und John sich für einen Zeitraum von über zwanzig Jahren wie in einem Spinnennetz verfangen. Die beiden sind seit ihrer Jugend durch ein mysteriöses, unergründliches Geheimnis aneinandergefesselt. Während sie auf dessen Eintreten warten, erbebt in ihren Körpern und um sie herum die Musik von 1979 bis 2001, befinden sich Zeit und Moden ringsum im steten Fluss. Frei nach einer Kurzgeschichte von Henry James fiebern wir mit May (Anaïs Demoustier) und John (Tom Mercier) dem Unbekannten entgegen, lauschen ihrem Dialog der Obsession und harren mit ihnen der allerfüllenden Erlösung. Chiha gelingt es auf grandiose Weise, die Zartheit des ebenso tiefgehenden wie fragilen Bandes zweier Menschen mit der schieren Überwältigung von Clubsound und -licht zu verweben – und dabei die betörendsten und lustvollsten Tanzszenen des gegenwärtigen Filmgeschehens zu inszenieren. Seine ausgeprägte Feinfühligkeit für Choreografie hat Chiha bereits 2020 mit Wenn es Liebe wäre unter Beweis gestellt – eine Hommage auf das junge Ensemble der gefeierten Performancearbeit „Crowd“ von Gisèle Vienne. Vom queeren Discoglitter und von ineinander verschlungenen Körpern der 1970er-Jahre über New Wave und Klaus Nomi bis hin zur Vereinzelung der drogeninduzierten Techno-Trance der 1990er-Jahre beschreibt Chiha den Club als gemeinschaftlichen Ort der Freiheit, in den jedoch das politische Weltgeschehen regelmäßig einbricht. Als einzige Allwissende – selbstverständlich die Türsteherin – geleitet die legendäre Béatrice Dalle uns als Erzählerin mirakelgleich hin zum Unausweichlichen. Chihas Ode an das zeitlose Mysterium Liebe und die Clubkultur ist ein Plädoyer für die befreiende Macht des Sichverlierens im Rausch des Tanzes – im Rausch des Lebens.
(Katalogtext, ap)