Diagonale
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Die ängstliche Verkehrsteilnehmerin
Spielfilm, AT/DE 2023, Farbe, 100 min., OmeU
Diagonale 2024

Regie: Martha Mechow
Darsteller:innen: Selma Juana Schulte-Frohlinde, Ann Göbel, Joseph Löcker, Inga Busch, Max Grosse Majench, Susanne Bredehöft, Yasmin El Yassini, Leonie Jenning, Nastasya Tikhnovetskaya, Alexandra Gottschlich
Kamera: Nils Jakob Timm, Luis August Krawen
Schnitt: Felix Leitner
Musik: Fee Aviv Marschall, Toni Mosebach
Sounddesign: Sebastian Dieterle
Szenenbild: Kastania Waldmüller, Sanna Leone
Kostüm: Nina Mechow, Yasmin El Yassini
Weitere Credits: Zeichnungen: Selma Juana Schulte-Frohlinde
Produzent:innen: Hans Broich
Produktion: Superzoom

 

Auf Sardinien findet Flippa ihre ältere Schwester Furia wieder, die eine Weile aus ihrem Leben verschwunden war. Gemeinsam verbringen die beiden Zeit in einer Frauenselbsthilfe-Kommune, driften schließlich aber wieder auseinander. Flippa zieht weiter, auf der Suche nach einer Möglichkeit, den Knoten der Heterosexualität zu durchtrennen. Martha Mechows Langfilmdebüt ist ein genuin freier Film, der sich bei jeder Gelegenheit produktiv ablenken lässt.

Es beginnt mit einer Exitstrategie: Die Mutter verschwindet im Sofa (sic!), zurück bleiben zwei Schwestern, die sich, Jahre später, aus den Augen verlieren. Wir folgen der jüngeren, Flippa, auf dem Weg nach Italien, wo sie die ältere, Furia, vermutet. Oder vielleicht folgen wir auch nur Flippas gelber Smiley-Face-Stofftasche. Unterwegs lassen wir uns bei jeder Gelegenheit ablenken: von einem fröhlich Unruhe stiftenden Voice-over, von ätherisch die Szenerie durchwehender Musik, von Flippas druckreif vorgetragenen Monologen, von bunten, die Erzählung verschroben weiterspinnenden Zeichnungen (von Selma Schulte-Frohlinde), von einer neugierigen Kamera, die immer wieder an einem außergewöhnlichen Gesicht hängen bleibt oder sich auf italienischen Dorfplätzen verliert.

Dann sind die Schwestern wieder vereint, in einer Frauenselbsttherapie-Kommune auf Sardinien. Am vermeintlichen Ziel der Suche angekommen, beruhigt sich der Film keineswegs. Viel divergierende weibliche Energie ist im Bild versammelt, aus Flippas Vergangenheit taucht, ungebeten, ein Mann auf. Solange der heterosexuelle Knoten noch nicht zerschlagen ist, das erkennt sie schnell, ist die Reise noch nicht zu Ende. Weder die innere noch die äußere noch die intellektuelle. Die Bibel muss feministisch neu und Jane Austen genauer gelesen werden, außerdem gilt es, andere Bilder auszuprobieren, fürs Begehren und für die Arrangements, die wir mit den Menschen um uns herum treffen müssen, ob wir wollen oder nicht.

Martha Mechow arbeitet sowohl fürs Theater als auch fürs Kino, als Teil des Kollektivs Bäckerei Harmony ist sie Hausregisseurin an der Berliner Volksbühne. Ihr Debütlangfilm spielt furios mit der wuchernden Textualität und der politisch radikalen Rhetorik des Regietheaters der Gegenwart und ist gleichzeitig komplett filmisch gedacht. Ein Film darüber, wie Körper sich Sprache aneignen und wie Menschen von Musik affiziert werden. Und über den Versuch, in unserer Welt zu leben, mit Haut und Haaren, ohne die Machtstrukturen, die uns einengen, immer schon zu reproduzieren. (Lukas Foerster)

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