Vista Mare
Dokumentarfilm, AT/IT 2023, Farbe, 80 min., 5.4. OmeU / 9.4. OmdU
Diagonale 2024
Regie: Julia Gutweniger, Florian Kofler
Buch: Julia Gutweniger, Florian Kofler
Kamera: Julia Gutweniger
Schnitt: Julia Gutweniger, Florian Kofler
Originalton: Florian Kofler
Musik: Gabriela Gordillo; Zusätzliche Musik: Paul Eckschlager
Produzent:innen: Bernhard Holzhammer, Victor Kössl, Wilfried Gufler, Debora Nischler
Produktion: Eutopiafilm
Koproduktion: Albolina Film (IT)
Schirme, Pools, Postkarten: die Adriaküste als Projektionsfläche von la dolce vita. Über eine Saison hinweg blickt Vista Mare hinter die Kulissen von Strandurlaub und Meerblick und zeigt, was im süßen Leben keinen Platz hat: harte Arbeit in Form Tausender Handgriffe, die das große Versprechen vom kleinen Paradies erst ermöglichen. Ein Blick hinter die Fassaden einer gut geölten, unsichtbaren Maschinerie, die den Urlaubstraum erst wahr werden lässt.
Eine einsame Boje treibt im Meer. Langsam verschmilzt sie mit dem Nebel, der sich über dem Strand niederlässt. Das Bild einer grauen Landschaft entsteht – trüb, müde wogend, Geräusche verschluckend. Im Hintergrund tauchen Hotelfassaden auf. Fenster, Balkone, Klimaanlagen thronen über der Adriaküste. Bis die Stille von einem Strandbuggy abrupt gestört wird: Ruhig zieht der seine Runden und bügelt den Strand glatt – die verlassene Einöde ist bereit, sich in ein Strandparadies zu verwandeln.
Der Urlaubstraum entfaltet sich jedoch keinesfalls von selbst – die Metamorphose erfordert Tausende von Handgriffen: Pools werden gekärchert, Linien aus Strandschirmen gezogen, Delphinarien gereinigt. Während angehende Animateur:innen ihre Choreografien einstudieren, werden Postkartenmotive mit Photoshop aufpoliert und schwimmende Luftschlösser verankert. Eine gut geölte Maschine, dieses Paradies. An jeder Schraube und Kette wird fleißig gearbeitet, um die Fantasien in die Wirklichkeit zu übersetzen. Und tatsächlich breitet sich bald ein Gewimmel vor den künstlich wirkenden Hotelfassaden aus, strömen die Urlauber:innen herbei, während die Vorbereitungen, Handgriff für Handgriff, hinter den Kulissen weitergehen.
Vista Mare spielt in und mit einer Welt, die zur Projektionsfläche von la dolce vita. geworden ist. Über eine Saison hinweg beobachten Julia Gutweniger und Florian Kofler das Geschehen an der Adriaküste, fangen bunte Sonnenschirme genauso ein wie Flippermaschinen, Espressi und sandige Zehen. Und bringen dabei an die Oberfläche, was im süßen Leben keinen Platz hat: Arbeit. Risse in der Idylle. Bis schließlich die Fassade zu bröckeln droht: Demonstrierende Arbeiter:innen ziehen durch die Straßen. Fremdkörper in der Urlaubswelt. Eine Sichtbarmachung des Übersehenen. (Lisa Heuschober)