Diagonale
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Persona Non Grata
Spielfilm, AT/IT 2023, Farbe, 93 min., OmeU
Diagonale 2024

Regie, Buch: Antonin Svoboda
Darsteller:innen: Gerti Drassl, Maya Unger, Katja Lechthaler, Lukas Miko, Krista Posch, Peter Mitterrutzner
Kamera: Mario Minichmayr
Schnitt: Oliver Neumann
Originalton: Johannes Baumann
Musik: Lisa Montan
Sounddesign: Erik Mischijew, Matz Müller
Szenenbild: Martin Reiter
Kostüm: Cinzia Cioffi
Produzent:innen: Antonin Svoboda
Produktion: Coop99 Filmproduktion

 

Andrea Weingartner (Gerti Drassl) bricht ihr Schweigen. Innerer Druck und ein Schicksalsschlag veranlassen die einstige Skirennläuferin, mit ihren traumatischen Erinnerungen an ein Ski-Internat in den Siebzigerjahren an die Öffentlichkeit zu treten. Doch so viel Mut zur Wahrheit wird keineswegs von allen begrüßt. Antonin Svoboda zeichnet in seinem eindrücklichen Film die wahre Geschichte Nicola Werdeniggs nach, die im Me-Too-Jahr 2017 auch Österreich mit den Abgründen seines Vorzeigesports konfrontierte.

„Aus einem Schneeball kann schnell eine Lawine werden“, weiß Andrea Weingartner (Gerti Drassl). Und sie hat sich entschieden, jener Schneeball zu sein, der die Lawine auslösen wird. Angelehnt an die Geschichte der ehemaligen österreichischen Skirennläuferin Nicola Werdenigg, die sich 2017, kurz nach dem Aufkommen der Me-Too-Bewegung, in einem Zeitungsartikel an die Öffentlichkeit wandte, beschreibt Antonin Svoboda die Wochen vor und nach der Enthüllung. Es geht um Vorkommnisse in einem Ski-Internat in den Siebzigerjahren, um Vergewaltigungen, erniedrigende Mutproben, Essstörungen. Dabei lässt Svoboda sukzessive das Unwohlsein seiner Protagonistin anwachsen, konzentriert sich auf ihre innere Anspannung und eine Wahrnehmung, die vom erlebten Missbrauchssystem geprägt ist. Weingartner bewegt sich in einer Mischung aus Paranoia und Courage durch ihr Leben, das im Zuge des kürzlichen Todes ihres Mannes aus dem Takt geraten scheint, während sich Tochter Sara (Maya Unger) in einem Tiroler Luxus-Sporthotel verdingt, das ausgerechnet von Weingartners herrischer Mutter geführt wird.

Empathisch und klug erhellt Svoboda die Voraussetzungen, die ein weitläufiges Schweigenetz bedingen, und zeichnet auf diese Weise auch eine Familie nach, deren Mitglieder gewohnheitsmäßig Probleme mit sich selbst ausmachen. Weingartners Ausbrechen aus einer Struktur, die Verantwortliche schont und Opfer in schwer aufzulösende Zwangslagen versetzt, überträgt der Film in symbolhafte, beflügelnde Bilder: ein intimer Tanz allein in der Wiener Wohnung, die Pracht der Tiroler Alpen samt einer Pistenabfahrt, vielleicht der ersten seit Langem. Selbstzentrierung und das Schöpfen aus der eigenen Wahrheit, um einen später auch medialen Spießrutenlauf zu überstehen, sind von Svoboda bewusst gesetzte Stützen, an denen sich die Hauptfigur aufrichten kann. Sie weisen auch über die konkrete Erzählung hinaus auf einen Umstand, den Weingartner ebenso wie Werdenigg erfahren: Eine Persona non grata ist andernorts nicht selten eine Persona gratissima. (Carolin Weidner)

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