24 Stunden
Dokumentarfilm, AT 2024, Farbe, 100 min., OmdU
Diagonale 2024
Regie, Buch: Harald Friedl
Kamera: Helmut Wimmer
Schnitt: Philipp Mayer
Originalton: Tong Zhang
Sounddesign: Hjalti Bager-Jonathansson
Weitere Credits: Zusätzliches Sounddesign: Philipp Mayer; Übersetzungen on location: Laura Balomiri; Regieassistenz: Jola Wieczorek
Produzent:innen: Ralph Wieser
Produktion: Mischief Films
24 Stunden am Tag sind neun Autostunden entfernt: Alle paar Monate fährt Sadina vom rumänischen Vulcan ins österreichische Bad Vöslau, wo sie rund um die Uhr für die 86-jährige bettlägrige Elisabeth sorgt. Sie ist eine der 60.000 rumänischen Pfleger:innen, deren Arbeitsbedingungen von der österreichischen Pflegereform weitestgehend ignoriert werden. Füttern, waschen, Windeln wechseln, tragen – während Sadina versucht, der Eintönigkeit per Smartphone zu entkommen, beginnt der Tag schon wieder von vorn.
Am Anfang ein Abschied: Wieder mal muss Sadina für längere Zeit nach Österreich. Eben hat sie sich noch in ihrer rumänischen Heimatstadt Vulcan um ihre Eltern gekümmert, schon sitzt sie im Autoshuttle in das neun Stunden entfernte Bad Vöslau. Dort wartet ihre Kollegin bereits sehnsüchtig auf Ablösung, denn die Pflege der 86-jährigen Elisabeth ist anspruchsvoll. So sehr, dass Sadina auch nach zwölf Jahren regelmäßiger Aufenthalte immer noch nicht alles gesehen hat, was das kleine Bad Vöslau zu bieten hat. Wenn sie nicht gerade die bettlägerige Elisabeth füttert und wäscht – wobei deren fortgeschrittene Demenz sich unabsehbar mal in Wut, mal in Liebenswürdigkeit artikuliert –, hält Sadina das Haus in Ordnung, das weitaus geräumiger ist als die Wohnung ihrer Familie zu Hause in Rumänien.
Freizeit hat Sadina eigentlich keine, höchstens kurze Pausen, in denen sie eine Zigarette raucht und in die Sonne blinzelt oder per Videocall mit ihren Freund:innen Kontakt hält. An langen, einsamen Abenden informiert sie sich gelegentlich im Internet über die Proteste der 60.000 rumänischen Pfleger:innen, die von der österreichischen Pflegereform weitestgehend ignoriert werden. An anderen Abenden schaut sie Videos von Fallschirmsprüngen. Ob Handy oder Laptop – inmitten eines eintönigen Alltags öffnen die Screens kurzzeitig Fenster in die Freiheit. Doch die Internetverbindung ist oft schlecht, und wenn das Babyphone ertönt, muss Sadina wieder mit der Schnabeltasse bereitstehen.
Harald Friedls dokumentarisches Porträt besticht durch die Sorgfalt, mit der hier von Sorgearbeit erzählt wird. Mit großer Zurückhaltung der Kamera bei gleichzeitiger Nähe – lange Einstellungen treffen auf gesetzte Close-ups, in denen kräftige Hände knorrige berühren – dokumentiert der Regisseur Sadinas Alltag. Dabei gelingt es ihm, sie nicht als Opfer der Umstände, sondern als Person erscheinen zu lassen, die es entgegen aller Widrigkeiten schafft, sich auch um sich selbst zu kümmern. (Eva Königshofen)