Diagonale
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Moretones / Bruises
Innovatives Kino, DE/MX 2023, Farbe, 89 min., OmeU
Diagonale 2024

Regie: Ginan Seidl, Daniel Ulacia Balmaseda
Buch: Ginan Seidl, Daniel Ulacia Balmaseda
Darsteller:innen: Juliana Piza Zambrano, Santos Zárate Rodríguez, Ester Cruz Jarquín, Francisco Salinas González
Kamera: Ginan Seidl
Schnitt: Ginan Seidl, Daniel Ulacia Balmaseda
Originalton: Pamela Casasa
Sounddesign: Steffen Martin
Weitere Credits: Producerin: Ayla Güney; Line Producer: Sandra Salgado Granados, Susana Bernal Uribe, Pia Siliceo Trueba; Tonmischung: Markus Böhm (Celluloidtracks); Farbkorrektur: Moritz Peters (Digital Images)
Produzent:innen: Stephan Helmut Beier, Ray Peter Maletzki
Produktion: Rosenpictures Filmproduktion
Koproduktion: Ginan Seidl (AT), Daniel Ulacia Balmaseda (MX)

 

Tonos, so heißen an der mexikanischen Costa Chica geisterhafte Tierwesen, die mit den Bewohner:innen der Region symbiotisch verbunden sind. Ester, deren Tono ein Jaguar ist, erinnert sich an die Flucht ihrer Vorfahren und begleitet Gebärende. Santos hütet sein Vieh und lebt als Krokodil im Fluss. Juli schwimmt als Fisch im Meer, während sie auf einem Boot die Fischernetze einholt. Doch die Geister erzählen auch vom Klimawandel und von den historischen Nachwirkungen von Kolonialismus und Sklaverei.

Moretones ist weit mehr als ein Dokumentarfilm über die Menschen an der mexikanischen Costa Chica. Anfangs gleitet die Kamera durch die Nacht, vorbei an Bäumen und Geäst, aber sie dokumentiert nicht einfach, sondern beschwört Geister herauf, die durch die Nacht irren, von Menschen und Tieren gleichermaßen.

Es sind die fundamentalen Urkräfte des Kinos, mit denen hier gearbeitet wird: Licht und Dunkelheit. Doch was uns in diesem Kontrast entgegenkommt, ist kein Produkt der Fantasie, sondern real. So real wie das Leben der Menschen, die Ginan Seidl und Daniel Ulacia Balmaseda filmen. Wobei die Perspektive, mit der auf diese Realität geblickt wird, hier eine entscheidende Verschiebung erfährt.

Eine ältere Frau, die Gebärende begleitet, ist gleichzeitig ein Jaguar. Eine andere Frau, die auf einem Boot Fische einholt, ist selbst auch Fisch im Wasser. „Tonos“, so nennen die Bewohner:innen der Region diese Tierwesen, mit denen sie symbiotisch verbunden sind. Oder eher noch: diese nichtmenschlichen Tiere oder Menschen in Tiergestalt. Alles eine Frage der Perspektive. Wenn Vögel einen Tierkadaver ausweiden, dann essen in diesem Moment Menschen andere Tiere oder andere Menschen. Trinkt die alte Frau Cola und in der nächsten Einstellung der Jaguar Wasser, kann für den Jaguar das Wasser ebenfalls wie Cola sein. Schießt ein Mann auf ein Wildtier, weiß er, dass er dabei seinen Sohn treffen kann. Und wenn wir erst ein Krokodil ins Wasser gleiten und dann einen Mann wieder auftauchen sehen, sollten wir uns vielmehr fragen, ob nicht gerade ein Mensch als Krokodil unter- und als Mensch wieder aufgetaucht ist.

So fordern die Filmemacher:innen unsere – westlich geprägte – Wahrnehmung heraus. Die Menschen an der Costa Chica unterhalten zur Natur ein soziales Verhältnis. Doch dieses Verhältnis ist längst übersät von „moretones“, den blauen Flecken einer vielgestaltigen Gewalt. Auch sie behält in diesem Film ein geisterhaftes Wesen und ist dabei doch vollkommen real. (Philipp Stadelmaier)

Gemeinsam mit Testudo Hermanni von G. Anthony Svatek.

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