Corpus Homini
Dokumentarfilm, AT 2024, Farbe, 95 min., OmeU
Diagonale 2024
Regie, Buch, Schnitt: Anatol Bogendorfer
Darsteller:innen: Verena Linder, Elisabeth Kogler, Harald und Kateryna Hanser, Julia von Steyr
Kamera: Christian Dietl
Originalton: Ina Fischer, Mario Stadler
Musik: Veronika J. König (FARCE)
Weitere Credits: Schnittberatung: Bernadette Weigel
Produzent:innen: Anatol Bogendorfer, Tabea Cray
Produktion: BOXA FILM
Der menschliche Körper mag zwar ausgiebig erforscht sein – dennoch bleiben seine Bedürfnisse und die auszuhaltenden Strapazen oft ein Mysterium. Anatol Bogendorfer beobachtet an den Beispielen einer Hebamme, einer Hausärztin, einer Sexarbeiterin und eines Bestatter-Ehepaars vier Urprinzipien der körperlichen Existenz. Mit ungeschöntem Realismus und respektvoller Distanz taucht er in die Arbeitswelten ein und dokumentiert das Werden, die Dysfunktionen und die sexuellen Bedürfnisse auf dieser Welt. Und den letzten Abschied von ihr.
Wir mögen ihn zur Gänze erforscht haben – und doch bleibt er ein Mysterium: der menschliche Körper in seiner Wandelbarkeit. Von der Geburt über seine Leiden, seine Begierden bis zu seinem Abschied aus dieser Welt. Doch Anatol Bogendorfer hat sich für seinen Dokumentarfilm nicht dafür entschieden, weiter nach möglichen Erkenntnissen zu suchen. Vielmehr nimmt er sein Publikum mit auf eine Reise in die Mannigfaltigkeit unserer Existenz.
Da ist die Hebamme Elisabeth aus dem Salzkammergut. Stets mit einem Ohr an der Freisprechanlage ihres Telefons pendelt sie zwischen Geburten und Hausbesuchen. Mit ruhigen Einstellungen, die sich nie in den Vordergrund drängen, beobachtet die Kamera Elisabeths Übungen mit Schwangeren, den Schmerz, aber auch die Euphorie der Geburt.
Hausärztin Verena aus Vorarlberg widmet sich hingegen den Dysfunktionen des Körpers, die durch unterschiedliche Behandlungsformen kuriert werden können, sei es durch Ohrspülung, Verbände oder durch einfache Bettruhe. Doch nicht nur die Klagen über physisches Leid, auch psychische Probleme finden bei ihr Gehör. Denn die richtige medizinische Behandlung kann nur dann helfen, wenn auch die Psyche nicht zu sehr gefordert oder gar ignoriert wird.
Sexarbeiterin Julia aus Wien kümmert sich um zwischenmenschliche Bedürfnisse. In ihrem Videoblog versucht sie, mit Vorurteilen aufräumen. Sie hat sich auf Menschen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen und deren Wunsch nach Zärtlichkeit spezialisiert. Die körperliche Innigkeit hat vor der Kamera nichts Ausbeuterisches oder Fetischisierendes, sondern wirkt wie ein instinktiver Akt und die natürlichste Sache der Welt.
Das Ende des menschlichen Körpers führt zum niederösterreichischen Bestattungsunternehmen von Harald und Kateryna. Die oft repetitive Formalität am Telefon, mit der der Tod registriert wird, und die nüchterne Art, mit der der Körper ein letztes Mal gewaschen und gekleidet wird, gehen mit einer Einfühlsamkeit für jene einher, die sich keine teure Beerdigung leisten können. Und mit der nötigen Vorsicht, mit der die Körper in die Särge gebettet werden. Unser Ende mag nicht glamourös sein, vielleicht sogar banal nach all den lebenslangen Strapazen. Was das Mysterium des menschlichen Körpers sogar noch größer macht. (Susanne Gottlieb)