
Sugarland
Spielfilm, AT/DE/BE/FR/GB 2025, DCP, 86 min, OmdU
Iga (Jana McKinnon), die sich vor Kurzem von ihrem Freund getrennt hat, ist im Auto unterwegs. Über gleichförmige Schnellstraßen und billige Herbergen geht es von ihrer österreichischen Heimat nach Schottland. Unterwegs nimmt sie Ethan (Bill Caple) mit, einen Engländer, der etwas älter ist und ein prekäres, unstetes Leben zu führen scheint. Nach anfänglichem beidseitigem Zögern kommen sich die Reisegefährt:innen langsam näher – bis der Film, kurz vor dem Ärmelkanal, eine überraschende Wendung nimmt.
Zwei Wildfremde sitzen nebeneinander und wissen, dass sie die nächsten paar Stunden miteinander verbringen werden, aber nicht einmal das Radio funktioniert. Umso mehr sind Iga und Ethan gezwungen, das in einer solchen Situation in Sekundenschnelle unerträglich werdende Schweigen durch Unterhaltung zu unterbrechen. Vom Smalltalk über Musikgeschmack und Brillenmode gelangen sie rasch zum Grundsätzlichen: der um sich greifenden Verzweiflung angesichts der allgemeinen Beschissenheit der Dinge. Übersprungen wird dabei freilich, bis auf Weiteres zumindest, alles Persönliche. Weder sie noch er wollen aus der Deckung gehen.
Isabella Brunäckers Langfilmdebüt beginnt denkbar minimalistisch. In den Autoszenen ist die Kamera zunächst starr hinter den beiden Hauptfiguren montiert und registriert deren Konversationsversuche aus nüchterner, aber auch respektvoller Distanz. Passend dazu spielt dieses Roadmovie lange Zeit fast nur an Nicht-Orten wie der selbstidentisch vor der Windschutzscheibe sich ausbreitenden Autobahn, unwirtlichen Raststätten und karg eingerichteten Schlafstätten. Mehr als alles andere ist es ein Lied, das, in einer Schlüsselszene des Films, alles verändert, Iga und Ethan genauso wie die Welt, durch die sie sich bewegen:
She Sells Sanctuary
von The Cult. „The world drags me down.“
Irgendwann kracht es dann. Aber auch danach weigert sich der Film, die auf unsicheren Grund gebaute Begegnung zweier Menschen an eine konventionelle Spannungsdramaturgie zu verraten.
Sugarland
ist österreichisches Indiekino von Weltformat. Man mag gelegentlich an die frühe Kelly Reichardt oder gar an die radikaleren Ausläufer New Hollywoods denken. Aber gleichzeitig findet Brunäcker zwischen existenzieller Einsamkeit, staubtrockener Coolness und unausgesprochenen Sehnsüchten einen ganz eigenen Tonfall. (Lukas Foerster)
Der Standard schenkt allen Besucher:innen eine Flasche Rote Rakete Cascara Eistee.
Buch: Isabella Brunäcker
Darsteller:innen: Jana McKinnon, Bill Caple, Joe Usher, Wolfgang Oliver
Kamera: Matthias Helldoppler
Schnitt: Maria Lisa Pichler
Originalton: David Almeida-Ribeiro
Szenenbild: Birgit Strobl
Kostüm: Elisabeth Heinisch
Produzent:innen: Andreas Alvarez, Isabella Brunäcker
Weltvertrieb: sixpackfilm
Verleih in Österreich: sixpackfilm
Gefördert von: Land Salzburg Kultur
Stadt Wien MA 7
Land Niederösterreich Kultur
Uraufführung: Diagonale '25
Produktionsformat: analog - 16mm