
Attenberg
Spielfilm, GR 2010, Film 35mm, 97 min, OmdU
Marina hegt eine Abneigung gegen Menschen, findet jedoch Trost in David Attenboroughs Tierdokus. Sie begleitet ihren Vater zur Chemotherapie und betätigt sich als Chauffeurin eines Ingenieurs. Während sie sich in die Nachahmung tierähnlicher Gesten und Tanzschritte vertieft, erforscht sie ihr sexuelles Erwachen. Der Film, der in einer dünn besiedelten Stadt mit einer verfallenden Fabrik spielt, nutzt eine minimalistische Ästhetik, um menschliche Bindungen auf ihren rohen Kern zu verdichten.
Vor der Kulisse eines abgelegenen Küstenstreifens und einer verfallenden Fabrik, die noch in Betrieb ist, ihre besten Zeiten aber längst hinter sich hat, setzt sich die junge Marina mit dem unausweichlichen Verlust ihres Vaters aufgrund einer fortgeschrittenen Krebserkrankung auseinander. Trost findet sie in David Attenboroughs Erkundungen des Tierreichs, denen sie und ihr Vater auf Fernsehbildschirmen folgen. Gemeinsam imitieren sie die Bewegungen von Vögeln, die mit ihren Flügeln schlagen, wobei sie „Attenborough“ „Attenberg“ aussprechen. Tief verwurzelte Gefühle von Trauer, Desorientierung und Entfremdung äußern sich in scheinbar absurden Gesten. Mit ihrer flamboyanten und sexuell erwachten Freundin Bella entwickelt Marina eine unkonventionelle Choreografie, die Paarungstänze von Tieren, Hundekämpfe, Kussübungen und sogar Spucken umfasst.
Marinas Blick auf die Welt wirkt fast kindlich, während sie mit ihrer Abneigung gegenüber der Menschheit ringt – eine halb bewusste Vorbereitung auf den bevorstehenden Verlust ihres geliebten Vaters. Mit staunender und roher Ungeschicklichkeit beginnt sie, Sexualität und Körperlichkeit zu erforschen. Sex und Tod verweben sich instinktiv zu einer Symbiose, die menschliche Instinkte und tierisches Verhalten vereint.
Im Hintergrund stehen die anhaltenden wirtschaftlichen Kämpfe einer Nation am Rande des Staatsbankrotts, die sich auch auf die – von Finanzierungsproblemen verzögerte – Produktion von
Attenberg
auswirkten. Doch der Film ist kein schmerzvoller Klagegesang, sondern eine minimalistisch-poetische, philosophische Metapher – für Begrenzungen und Durchbrüche, für mögliche Wärme, die in Kälte und Trostlosigkeit gefunden werden kann, und für psychologischen Trost, der durch körperliche Befreiung entdeckt wird. (Yun-hua Chen)
Buch: Athina Rachel Tsangari
Darsteller:innen: Ariane Labed, Vangelis Mourikis, Evangelia Randou, Giorgos Lanthimos
Kamera: Thimios Bakatakis
Schnitt: Sandrine Cheyrol, Matt Johnson
Sounddesign: Leandros Ntounis
Szenenbild: Dafni Kalogianni
Kostüm: Thanos Papastergiou, Vassilia Rozana
Produzent:innen: Maria Hatzakou, Giorgos Lanthimos, Iraklis Mavroidis, Athina Rachel Tsangari, Angelos Venetis
Produktion: Haos Film
Weltvertrieb: The Match Factory
Verleih in Österreich: Stadtkino Filmverleih
Uraufführung: Internationale Filmfestspiele Venedig Wettbewerb 2010
Österreichische Erstaufführung: Viennale 2010
Kinostart: 21.01.2011
Produktionsformat: analog - 35mm