80 Plus

Die eine ist 86 und eines Lebens überdrüssig, das ihr für die Zukunft nur noch Krankheit und Einsamkeit zu versprechen scheint. Die andere ist auch nicht mehr die Jüngste, aber lebenslustig für zwei. Gemeinsam begibt sich das ungleiche Duo in Sabine Hieblers und Gerhard Ertls 80 Plus auf einen Roadtrip, der sie von Österreich in die Schweiz führt und beiden überraschende neue Perspektiven eröffnet.

Ihren Kuraufenthalt hatte Toni (Margarethe Tiesel) sich anders vorgestellt. Einen geselligen Wellnessurlaub hatte sie sich versprochen. Doch die Pflegerin reagiert auf ihre Annäherungsversuche freundlich und abweisend, die Zimmernachbarin mit der strengen Lesebrille hingegen unfreundlich und abweisend. Gleichwohl ist es diese Nachbarin, Helene (Christine Ostermayer), mit der Toni alsbald das Weite sucht. Um sie nach Zürich zu begleiten, wo Thea Sterbehilfe in Anspruch nehmen will.

Zunächst bilden die beiden eine Zweckgemeinschaft. Insbesondere die ehemalige Theaterschauspielerin Thea kann mit der bodenständigen Toni wenig anfangen. Dass die beiden sich im Laufe ihres rasanten Roadtrips – auf den Fersen sind ihnen die fürchterliche Verwandtschaft und immer wieder auch die Polizei – zusammenraufen, wird kaum jemanden überraschen. Aber in 80 Plus zählt nicht das Was, sondern das Wie und das Warum.

Da wären z. B. die Lebenslügen, die die beiden Reisegefährtinnen im Gepäck haben. Und die sie nicht nur der jeweils anderen, sondern auch sich selbst erzählen. Bald bröckeln die Fassaden, die die Frauen ein Leben lang errichtet hatten. Thea, die an sich und andere hohe ethische Ansprüche stellt, lernt, wie schön sich kleine Gemeinheiten anfühlen können. Und die leutselige Toni bekommt den Mund nicht auf, wenn sie mit dem eigenen Sohn telefoniert.

Auf eine Aufforderung zur Selbstoptimierung noch im Alter will der Film nicht hinaus. Gerade ein Kurzauftritt Stefanie Sargnagels als Tramperin weist in eine andere, sozialkritische Richtung: Viele der Probleme, die Thea und Toni mit sich herumtragen, haben wenig mit ihrer allzu menschlichen Imperfektion zu tun und viel mit einer Welt, die keineswegs zum Wohle aller eingerichtet ist – erst recht nicht zum Wohle alter Frauen. (Lukas Foerster)