
Zwischen uns Gott
Dokumentarfilm, AT 2024, DCP, 91 min, OmeU
Nach Jahren der Distanz sucht die nichtgläubige Filmemacherin die Begegnung mit ihrer christlich-frommen Familie, um das zu tun, was bisher nie getan worden ist: über Religion sprechen. Aus dokumentarischen Beobachtungen des Familienlebens, Diskussionsrunden, Amateurfilm-Material des Großvaters und Rebecca Hirneises Notizen erwächst ein komplexes Bild christlicher Gedankenwelten und daraus resultierender Konflikte und Verletzungen. Ein kluges und eindringliches Plädoyer für das Gespräch.
Rebecca Hirneise steigt in ein Flugzeug, um ihre Familie zu besuchen. Die Reise über den Himmelsweg anzutreten, könnte schon als Zeichen einer Annäherung gelesen werden – oder zumindest als Bereitschaft, sich für eine gewisse Nähe zu öffnen. Denn der „Himmel“ ist der Familie sozusagen heilig und hat nicht zuletzt wesentlich dazu beigetragen, dass die in Wien ansässige Filmemacherin und ihre süddeutschen Angehörigen nicht nur eine räumliche Distanz trennt.
Die Religion und der gelebte Glaube ihrer Großeltern, Tanten und Onkel haben Hirneise von zu Hause fortgedrängt. Doch nach Jahren der Funkstille sucht die deklarierte Agnostikerin nun wieder die Begegnung mit ihrer Familie, um zu fragen, zu erfahren, zu verstehen und das zu tun, was man in ihrer Familie bisher nie getan hat: über Religion sprechen und über Religion miteinander ins Sprechen kommen. Denn in der jeweiligen Auslegung des Glaubens verfolgen die Filmemacherin und die Familie nach wie vor unterschiedliche Ansätze, woraus ein großes Potenzial für Kontroversen oder Bekehrungsversuche erwächst.
Die nichtgläubige Filmemacherin, die in dieses Projekt auch als Tochter, Nichte und Enkelin involviert ist, rückt nicht nur ihre Angehörigen ins Bild (oder lässt sie auf Wunsch wieder daraus verschwinden), sondern ist in all ihren Rollen auch selbst präsent. Und dokumentiert derart auch ihre eigenen Wurzeln und Unsicherheiten.
Hirneise hält Beobachtungen von Familienfeiern, vom Alltag, von Gesprächen und Diskussionsrunden im Verwandtenkreis fest, in denen über den restriktiv-religiösen Erziehungsstil der Großeltern diskutiert, über das Jüngste Gericht gestritten und über vom Glauben geschürte Hoffnungen und Ängste gelacht oder geweint wird. Ergänzt durch analoge Filmfragmente aus dem Archiv des Großvaters sowie durch eingesprochene Aufzeichnungen aus ihren Notizheften verdichtet Hirneise das Material zu einem komplexen, persönlichen Familienporträt, in dem sie eine Vielzahl christlicher Gedankenwelten miteinander in Beziehung setzt. Und macht dabei jene Konfliktlinien und Verletzungen sichtbar, die der Glaube zwischen den Generationen hinterlassen hat.
Ein vielstimmiges, kluges und eindringliches Plädoyer für den Dialog, der zwar nicht immer zur Vereinigung unterschiedlicher Perspektiven führt, aber für ein respektvolles Miteinander unerlässlich ist. (Michelle Koch)
Buch: Rebecca Hirneise, Philipp Diettrich
Kamera: Tilmann Rödiger
Schnitt: Florian Kecht
Originalton: Cristi Iorga
Produzent:innen: Ruth Beckermann
Produktion: Ruth Beckermann Filmproduktion
Verleih in Österreich: Filmladen
Gefördert von: ÖFI – Österreichisches Filminstitut
Stadt Wien MA 7
ORF Film/Fernseh-Abkommen
Uraufführung: Filmfestival Max Ophüls Preis 2024
Österreichische Erstaufführung: Viennale 2024
Kinostart: 24.01.2025
Produktionsformat: digital