Diagonale
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Diagonale
Festival des österreichischen Films
27. März - 1. April 2025, Graz

FilmprogrammRegisseur:innen | Spielplan

 

Freitag, 28.03.
11:00 Uhr, Schubertkino 1

Zwei Jahre nach Kriegsbeginn sollte dieser Film voll alternativer Fakten den Überfall auf Polen als unumgänglich rechtfertigen. Die wolhyniendeutsche Minderheit sieht sich 1939 zunehmend Übergriffen durch die polnische Bevölkerung ausgesetzt. Allen voran Paula Wessely als brave Lehrerin: Ihre Schule wird geschlossen, ihr Verlobter Opfer des Mobs, sie selbst misshandelt und wie alle Deutschen im Ort in einen Kerker gepfercht. Einer der übelsten Propagandafilme. – Davor: Heimkehr. Wien 1941/1996, ein Film des Instituts für Evidenzwissenschaft.

Eigentlich ließe sich mit dem Begriff Heimkehr gedanklich Angenehmes verbinden: eine Rückkehr an einen Ort, an dem man sich zugehörig fühlt und heimisch ist. Nicht so in dem perfiden NS-Propagandafilm Heimkehr, den der Regisseur Gustav Ucicky, auf ausdrücklichen Befehl von Goebbels, nach einem Drehbuch von Gerhard Menzel inszenierte. Bestens erprobt, die rassistische Ideologie der Nazis in Worte und Bilder umzusetzen, zählten beide – wie auch ihre Starbesetzung mit Paula Wessely, Attila Hörbiger und Carl Raddatz – zu jenen viel beschäftigten Filmschaffenden im „Dritten Reich“, die ohne große Probleme nach 1945 ihre Karrieren unbehelligt und kontinuierlich fortsetzen konnten.

Die Handlung, angesiedelt 1939 im polnisch-ukrainischen Grenzland Wolhynien, insinuiert Übergriffe auf die Minderheit der dort lebenden deutschen Siedler. Im Zuge der polnischen Mobilmachung wird eine deutsche Schule requiriert, der Verlobte der Lehrerin Marie (Wessely) in einem Kino brutal zusammengeschlagen, Maries Vater durch einen üblen Bubenstreich das Augenlicht genommen. Ein grobschlächtiger Pole reißt einer Frau den Hakenkreuzanhänger von der Halskette, dann wird sie von einem wütenden Mob zu Tode gesteinigt. „Volksdeutsche“, die heimlich am 1. September die Hitler-Rede zum Kriegsbeginn hören, werden verhaftet, auf mit Netzen überspannten Pritschenwagen zum Kerker transportiert, in ein Kellergefängnis gepfercht. Unter dem Eindruck der drohenden Exekution hält Marie eine hochpatriotische Rede über das deutsche Wesen („Weil’s ja gewachsen ist aus den Millionen Herzen der Deutschen, die eingegangen sind in die Erde und zur deutschen Erde geworden sind“), die ganz im Sinne der NS-Indoktrination von Pathos, Volkstum, „Blut und Boden“ nur so trieft. Bomber künden vom rettenden Einmarsch, ein deutscher Panzer bricht durchs Gefängnistor, letztendlich bilden die Befreiten einen großen Zug, der sie „heim ins Reich“ führt. Auf der mit Hakenkreuzflaggen gesäumten Landstraße prangt als Gruß an die Heimkehrenden auf einem Plakatgerüst das überlebensgroße Brustbild des „Führers“.

Dieser „Rechtfertigungsfilm“ basiert auf der propagandistischen Lüge von der geplanten Ausrottung der Deutschen in Polen. In völliger Umkehrung der Tatsachen – der brutale Naziterror von 1939 wird als jener der primitiven polnischen „Untermenschen“ dargestellt – sollte dem Kinopublikum im Herbst 1941 erklärt werden, warum der Zweite Weltkrieg „unvermeidlich“ gewesen sei. Elfriede Jelinek, die Heimkehr für den schlimmsten Propagandaspielfilm der Nazis überhaupt hält, schrieb in ihr Theaterstück Burgtheater Teile des Filmdialogs mit ein, den auch der experimentelle Vorfilm Heimkehr. Wien 1941/1996 des Instituts für Evidenzwissenschaft neu montiert.

Paula Wessely erhielt eine Rekordgage von 150.000 Reichsmark, die Produktionskosten beliefen sich auf 3,7 Millionen, die Einspielergebnisse auf knapp 5 Millionen Reichsmark. Die Außenaufnahmen wurden im ostpreußischen Ortelsburg und im polnischen Chorzele, die Innenaufnahmen in den Ateliers Rosenhügel, Sievering und Schönbrunn gedreht, die Kulissen der Kreishauptstadt Luzk und vor allem das wichtige Kino als Schauplatz in den Wiener Studios nachgebaut.

Uraufgeführt wurde Heimkehr am 31. August 1941 in Venedig. Am 22. Juni war der Überfall auf die Sowjetunion erfolgt, am 31. Juli hatte Heydrich von Göring den Befehl erhalten, die geeigneten Schritte für eine „Endlösung der Judenfrage“ vorzubereiten. Ab 1. September, dem Tag nach der Premiere, hatten Personen, die nach den „Nürnberger Gesetzen“ als jüdisch galten, einen gelben Stern zu tragen. Wenige Tage später wurden im KZ Auschwitz die ersten Menschen mit Zyklon B vergast. Sechs Wochen später, Mitte Oktober 1941, begann die systematische Deportation von Juden und Jüdinnen aus Deutschland in den Osten. (Brigitte Mayr)



Mit einer Einführung von Brigitte Mayr. Kuratiert von SYNEMA.  

Regie: Gustav Ucicky
Buch: Gerhard Menzel
Darsteller:innen: Paula Wessely, Peter Petersen, Attila Hörbiger, Ruth Hellberg, Berta Drews, Carl Raddatz
Kamera: Günther Anders, Hans Staudinger
Schnitt: Rudolf Schaad
Originalton: Alfred Norkus, Wilhelm Iske
Musik: Willy Schmidt-Gentner
Szenenbild: Walter Röhrig, Hermann Asmus
Kostüm: Albert Bei, Maxim Frey
Produzent:innen: Karl Hartl (Produktionschef)
Produktion: Wien-Film GmbH
Uraufführung: Scala-Kino Wien 1941

 

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