A Summer Love (Un amour d'été)
Dokumentarfilm, CA 2015, Farbe, 63 min., OmeU
Diagonale 2016
Regie, Buch: Jean-François Lesage
Kamera: Jean-François Lesage, Marianne Ploska
Schnitt: Mathieu Bouchard-Malo, Ariane Pétel-Despots
Originalton: Bruno Bélanger, Alexis Pilon-Gladu, Aude Renaud-Lorrain
Musik: Gold Zebra
Produzent:innen: Jean-François Lesage
Junge Menschen in einem nächtlichen
Park. Leben und Philosophieren
im Flackern von Flashlights und
Feuerzeugen. Entlang von Gedichten
und Rhythmen elektronischer Musik
entsteht wie beiläufig eines der
klügsten und eindrucksvollsten Fragmente
eines Generationenbildes.
Sie liegen, sie reden, sie rauchen, sie lieben und
sie denken. Junge Menschen weilen in einem nächtlichen
Park, wir erfahren weder wer noch was sie sind.
Das mag in einer auf Identität, Zuschreibungen und
Statusfragen fokussierten Medienwelt ungewöhnlich
erscheinen – ist aber in diesem Dokumentarfilm
nicht weiter von Relevanz. Zeigt er doch, dass diese
Menschen sind. Und er lässt sie sein. In der Weite der
Dunkelheit, unter dem permeablen schwarzen Dach
immenser Baumkronen leuchten via Flashlights
Spuren kollektiven Daseins auf: Menschen bahnen
sich ihre Wege mit dem Smartphone. Wer hier ist, ist
dabei – und wer noch kommt oder schon geht, folgt
dem Neonlicht. Eine impressionistische Freude im
Gesamtbild, getragen vom hoffnungsschwer visionären
Elektrosound von Gold Zebra. Vor Ort, am
Feuer, wird musiziert. Es ist sinnlich. Irgendwo am
Höhepunkt, zwischen Erschöpfung und Entspannung,
tönt Charles Aznavour aus dem Smartphone –
„Je vous parle d’un temps que les moins de vingt
ans ne peuvent pas connaître …“ – und gibt mit
seinem Chanson „La Bohème“ unwillentlich eine
(Anti-)These dazu vor. Mit A Summer Love schreibt
Jean-François Lesage ein ausnehmend sensibles
und poetisches Stück Existenzgeschichte, verwoben
mit Gedichtminiaturen von Jacques Lamy. Viel
mehr noch, als der Film zeitlos ist, gibt er Zeit. So
ausgespart der Wahnsinn von „großer“ Welt- und
Ordnungspolitik bleibt, so merklich absorbieren sich
hierin seine Verfehlungen. Maßgeblich ist die Bemerkung
eines jungen Mannes aus dem Dunkel, irgendwo
unter den Bäumen: „Liebe existiert trotzdem.“ Ein
Film zum Atmen. (Katharina Müller)