Die Ausgesperrten
Spielfilm, AT 1982, Farbe, 97 min.
Diagonale 2016
Regie: Franz Novotny
Buch: Franz Novotny, Elfriede Jelinek nach ihrem gleichnamigen Roman
Darsteller:innen: Paulus Manker, Rudolf Wessely, Christine Kaufmann, Emmy Werner
Kamera: Karl Kases
Produzent:innen: Franz Novotny
Produktion: Wien Film
Wien 1959. Die Stadt als Geisterbahn,
in der der Faschismus in
mutierten Formen sein Unwesen
treibt. Vier junge Leute üben
eine bizarr-ziellose Rache an der
etablierten Gesellschaft – man liest
Bataille, Camus und Sartre, ertränkt
Katzen im Kanalwasser und
überfällt Leute in der Nacht. Franz
Novotnys Adaption von Elfriede
Jelineks Roman ist ein expressives,
vor Schmerzen schreiendes Porträt
der Nachkriegsgeneration und ihrer
verfehlten Versuche des Ausbruchs.
Wien 1959. Dunkle, dreckige, verschachtelte
Wohnungen, gefängnisartige Klassenzimmer,
baufällige Stiegenhäuser und Trams, die durch die
Stadt wie durch eine Geisterbahn rollen: In diesem
Labyrinth situiert Franz Novotny 1982 seinen Film
Die Ausgesperrten (nach dem Roman von Elfriede
Jelinek, die auch am Drehbuch mitarbeitete) über
die Geschwister Rainer und Anna, die gemeinsam
mit Sophie und Hans eine bizarr ziellose Rache an
der etablierten Gesellschaft üben. Von den Konventionen
will man sich befreien, sich gar von den „Durchschnittsmenschen“
abheben. Und wenn das Lesen
von Bataille, Camus, Sartre und de Sade nicht weiterhilft,
ertränkt man weiße Katzen im Kanalbächlein,
lässt geklaute Motorräder in Flammen aufgehen
und nennt das dann Mutprobe. „Eigentlich sind
wir irgendwie faschistisch. Nur eben intelligenter“,
sagt Rainer.
Der Faschismus geistert unaufgearbeitet, verdrängt
und ins Obszöne gesteigert durch diese
Welt, als hätte sich das Hakenkreuzsymbol gleich zu
Beginn des Films wie ein Stempel durch alle anderen
Bilder gedrückt. Der Vater humpelt wie ein cholerischer
Dämon durch diese Welt, lässt die Mutter
für seine Hobbyfotografien vom Krieg inspirierte
Erniedrigungsszenarien nachstellen, redet lüstern
von „nackten Jüdinnen“ und ist auch sonst durch
und durch ein Scheißtyp. Es ist vor allem das Bedürfnis
nach Demütigung, das die alte Generation mit
der jungen verbindet: Jede körperliche Berührung
wird durch Erniedrigung erkauft, und die überfälle
der Gruppe dienen eher der Schändung des Opfers
als der persönlichen Bereicherung. Alles tut man,
um andere zu unterdrücken und sich selbst als überlegen
wahrzunehmen.
Die Ausgesperrten, der sechste mit Mitteln des
1981 etablierten Österreichischen Filmförderungsfonds
entstandene Film, suchte nach einem Österreichbild
mit Mitteln des expressiven, in jeder Geste
schreienden Kinos. Es gibt hier wenig Angedeutetes,
Ambivalentes. Stattdessen tiefenscharfe Bilder mit
punktgenauer, artifizieller Lichtsetzung, die auch
betonen, was in der Dunkelheit absäuft, sich versteckt
hält, weil es noch nicht sichtbar geworden ist. Ein
kryptischer, zerstückelter Film voller Schreckenstableaus,
der aus den 1980er-Jahren auf die erste
Generation nach dem Krieg blickt. Diese spürte
schon, dass irgendetwas nicht stimmte, und praktizierte
ziellose Revolution. Aber was keinen Weg
nach außen findet, muss verpuffen oder sich nach
innen fressen.
Epilog: 1986 – eine Arbeit des Republikanischen
Clubs. Das Hakenkreuz ist noch immer da,
bespielt pulsierend den Thron der Macht, auf dem
ein Frosch sitzt. Als er herunterfällt, folgt ein erleichtertes
„Gott sei Dank“. Ganz so einfach sollte es
dann doch nicht werden.
(Alejandro Bachmann)
Dieser Rainer, gespielt von Paulus Manker,
ist ein irregeleiteter Terrorist der österreichischen
Sprachlosigkeit gegen die österreichischen Nachkriegslügen.
Die Schultern fest geschlossen, der
Krieg ist vorbei, wir alle sind Opfergenossen, und
Österreich ist frei. Das ist der Stoff, aus dem die
bösen Träume sind.
(Alexander Horwath)
Der zweite Schub geohrfeigter Kinder heult
durch die Türen. Der müde Vati hat schlechte Nerven.
Psst, leise sein, sonst reißt die Nervenisolierung
ganz ein.
(Elfriede Jelinek, „Die Ausgesperrten“)