Struggle
Spielfilm, AT 2003, Farbe, 76 min., OmeU
Diagonale 2016
Regie: Ruth Mader
Buch: Barbara Albert, Martin Leidenfrost, Ruth Mader
Darsteller:innen: Aleksandra Justa, Gottfried Breitfuß, Margit Wrobel, Martin Brambach, Rainer Egger u.a.
Kamera: Bernhard Keller
Schnitt: Niki Mossböck
Originalton: Elisabeth Reeh
Kostüm: Alexandra Burgstaller
Produzent:innen: Gabriele Kranzelbinder, Ruth Mader, Alexander Dumreicher-Ivanceanu
Produktion: Struggle Films
Koproduktion: KGP Kranzelbinder Gabriele Production (vormals AMOUR FOU)
Die Wohlstandsgesellschaft und
ihre Verlierer/innen. Eine junge
Mutter aus dem ehemaligen Ostblock
ist ständig auf der Suche nach
illegaler Arbeit, ein frisch geschiedener
Makler versucht, die Leere
in seinem Leben zu füllen. Ein Film
über den Verlust der Menschenwürde,
fast ohne Dialoge, verstörend
und kompromisslos.
Struggle spielt im Österreich von heute, an
der Grenze zwischen Ost und West, an der Grenze
zwischen Armut und Reichtum. Ewa, eine junge
Polin, hetzt von einem Job zum anderen – sie pflückt
Erdbeeren, arbeitet in einem Geflügelschlachthof,
schrubbt die Swimmingpools der Reichen. Ihr Dasein
ist auf den Kampf ums überleben begrenzt, von der
Hoffnung getrieben, eine bessere Zukunft für sich
und ihre kleine Tochter zu finden.
Der zweite Teil des Films zeigt einen frisch
geschiedenen Wiener Immobilienmakler, der damit
beginnt, Swingerclubs zu frequentieren, auf der
Suche, die Leere seines neuen Lebens zu füllen. Er
ist nicht, wie Ewa, von finanziellen Ängsten geplagt,
er ringt um menschliche Nähe. Beide sind körperlich
verwundbar – Ewa durch die ständige Unsicherheit,
ihre existenziellen Bedürfnisse decken zu können,
und Marold, weil er in seiner betäubenden Isolation
seinen Körper verletzen muss, um überhaupt etwas
zu fühlen. Als sie sich treffen, treibt ihre Verzweiflung
sie zu noch größeren Extremen.
(Produktionsmitteilung)
Mehr noch als um Ewas persönliche Geschichte
geht es in Struggle um die Arbeit selbst: Minutenlang
nimmt die Kamera die Erdbeerfelder ins Visier,
beobachtet die gebückten Pflücker/innen bei strömendem
Regen oder bei brütender Hitze. Kein Kommentar,
kein Dialog. Mit dokumentarischer Sachlichkeit
verharrt Ruth Mader in Arbeitswelten, die sie in
ihrer Sinnentleertheit und Selbstentfremdung bis an
die Schmerzgrenze in Echtzeit vor Augen führt. Ruth
Mader spart in ihrer Erzählweise nicht nur mit Worten.
Elliptisch und skizzenhaft deutet sie mit wenigen
punktuellen Szenen Lebensgeschichten dreier
Generationen an, die gerade aus dieser Knappheit
ihre Spannung schöpfen.
(Pressenotiz)
Die Arbeitssituationen sind choreografiert und
fotografiert wie ganz großes Melodrama. Die Szenen
der Pflücker/innen im Erdbeerfeld sind von atemberaubender
Wucht. Wir sehen Figuren in der Weite der
Landschaft, die präzisen Gesten des Pflückens, blaues
Plastik mit Grün, Zweiergruppen, Dreiergruppen
malerisch in die Achse der Perspektive hinein, Nahaufnahmen
und dann wieder die Weite mit einem
tief hängenden Wolkenhimmel. Das Auge ruht sich
in dieser Weite aus, während die Anstrengung der
Arbeit fast körperlich erfahrbar wird. Der Film leistet
gleichzeitig die Dokumentation dieser Arbeit und
Assoziationen dargestellter Arbeit: Jean-François
Millet, Walker Evans, überhaupt die Fotografie der
amerikanischen Depressionszeit.
(Birgit Flos)
Es war mir ganz wichtig, mich vom Ballast der
konventionellen Erzählweise zu befreien, damit meine
ich das Auserzählen von Dingen, die keine Emotion
erzeugen. Wir haben versucht, in jeder Szene
Emotion zu erzeugen. Was die Langsamkeit betrifft,
ging es mir darum, zu zeigen, wie mühsam diese
Prozesse sind, wie sieht Arbeit ganz genau aus? Wie
sieht das aus, wenn man tagein, tagaus Erdbeeren
pflückt, bis sie dann im blauen Körberl sind, das wir
kaufen. Wie sieht es aus, bis ein Vieh zum Fleisch
wird. Wie viele Leute stehen da und tun, bis es so ist,
wie wir es gewohnt sind.
(Ruth Mader, AFC-Interview)
Ruth Maders Spielfilmdebüt Struggle wurde
in Cannes uraufgeführt und erfuhr – anders als in
Österreich – auf über hundert internationalen Festivals
große Aufmerksamkeit.
(red)