Ein Deutsches Leben
Dokumentarfilm, AT 2016, Schwarzweiß, 113 min., OmeU
Diagonale 2017
Regie: Christian Krönes, Florian Weigensamer, Roland Schrotthofer, Olaf S. Müller
Buch: Florian Weigensamer
Kamera: Frank van Vught
Schnitt: Christian Kermer
Originalton: Micha Müller, Franziska Pallaske
Sounddesign: heimwerk.audio: Jürgen Kloihofer, Felix Sturmberger
Weitere Credits:
Visual Director: Christian Kermer
Produzent:innen: Christian Krönes, Roland Schrottofer
Produktion: Blackbox Film & Medienproduktion
Über die Verführungskunst der
Macht und die Machtlosigkeit der
Verführten. Als junge Frau war
Brunhilde Pomsel die Sekretärin von
Joseph Goebbels. In Ein Deutsches
Leben spricht die 103-Jährige über
ihren Alltag im engsten Zirkel des
nationalsozialistischen Hetzers
und über eine Gesellschaft, deren
Ignoranz und gefährlicher Egoismus
eines der furchtbarsten Kapitel der
Menschheitsgeschichte eingeleitet
haben. Ein eindringlicher Film, der
gegenwärtig allzu relevant erscheint.
Jede Falte, jeder Augenblick, jedes Lachen
und jedes nachdenkliche Schweigen spricht Bände.
Der/die Zuschauer/in kann sich den einprägsamen
Zügen und der sprechenden Mimik Brunhilde Pomsels,
deren Gesicht in schwarz-weißen Großaufnahmen
zu sehen ist, nicht entziehen. Pomsel war Goebbels’
Sekretärin und erzählt hier ihre Geschichte – die
Geschichte einer Mitläuferin als Sinnbild einer Gesellschaft,
die durch Ignoranz und Egoismus das NS-System
getragen und erst ermöglicht hat.
Sie selbst bezeichnet sich als unpolitisch, und
doch ist die kürzlich verstorbene Brunhilde Pomsel
vielleicht die wichtigste Zeugin der innersten Machtgeflechte
des Nationalsozialismus: Pomsel ist 103
Jahre alt, als das vierköpfige Regieteam ihre Erinnerungen
an das Leben im nationalsozialistischen
Berlin dokumentiert. Durch Zufall ist sie als junge
Frau bei Goebbels gelandet – Zufall und egoistischer
Ehrgeiz waren es auch, die sie bis zum Kriegsende im
Machtzentrum verharren ließen.
Pomsels Erzählungen werden durch sorgfältig
ausgewähltes Archivmaterial sowie durch Zitate
von Goebbels ergänzt. Die Interviewsequenzen zeigen
die alte Frau verletzlich und stark zugleich, ihr
faltiges Gesicht, in das sich ein ganzes Jahrhundert
Geschichte eingeschrieben hat, brennt sich in das
Gedächtnis und lässt die Zuschauer/innen noch lange
danach grübeln: Wie hätte ich mich in ihrer Situation
verhalten?
Ein Deutsches Leben möchte seine Protagonistin
nicht verurteilen. Dennoch liegt über allem die
Frage nach persönlicher Schuld, nach der leider allzu
menschlichen Art zu handeln und mitzumachen,
ohne zu reflektieren.
(Katalogtext, cw)
Dieser Film belegt, dass Krieg und Gewaltherrschaft
nicht aus dem Nichts kommen, dass ein
gesellschaftliches Klima sehr schnell kippen kann,
dass das vermeintlich Böse nicht immer gleich
erkennbar ist und dass man seine eigenen moralischen
Positionen immer wieder hinterfragen muss.
Der Film birgt die einzigartige Chance, eine Augenzeugin
zu porträtieren, die im Zentrum des nationalsozialistischen
Machtapparats tätig war und deren
Handeln oder „Nichthandeln“ für unsere gegenwärtige
Gesellschaft – für uns alle – Spiegel und Warnung
sein kann.
(Regiestatement)
Talk
Ergänzend zum Screening und der zugehörigen Buchpublikation von Thore D. Hansen findet am Samstag, den 1. April um 11.00 Uhr im Forum Stadtpark, Graz, eine Gesprächsmatinee statt.